Stimmen der Energieforschung: Gudrun Senk

Februar 2, 2021

Wärmeversorgung 2040 – wie wird in 20 Jahren die Wärmeversorgung in der Stadt Wien aussehen?

Die Wärmeversorgung in Wien ist bereits heute sehr klimafreundlich aufgestellt. Wien Energie versorgt mehr als 410.000 Haushalte und 7.200 Großkunden mit Fernwärme und deckt damit rund 40 Prozent des gesamten Wärmebedarfs von Wien ab. Die Wärme wird in den Wiener Müllverbrennungsanlagen, unserer Biomasse-Anlage und den hocheffizienten Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen wie dem Kraftwerk Simmering erzeugt sowie Abwärme aus der Industrie genutzt.

Bis 2040 soll die gesamte Wiener Wärmeversorgung zu 100% dekarbonisiert werden. Dazu muss der Ausbau der Fernwärme für die KundInnen intensiviert und auch zahlreiche neue Wärmeerzeugungsanlagen mit erneuerbaren Quellen (z.B. Geothermie oder Abwärmenutzung) in das Fernwärmesystem integriert werden. Es müssen auch zunehmend Konzepte zur klimafreundlichen dezentralen Wärmeversorgung erarbeitet werden, wo kein Fernwärmeanschluss möglich ist. Außerdem ist die thermische Sanierung ein wesentlicher Hebel, um den Wärmebedarf in Wien zu senken.

Was sind die Herausforderungen für den Einsatz von 100% „sauberer“ Wärme in einer Großstadt wie Wien?

Die großen Herausforderungen der Dekarbonisierung der Wärme sind unter anderem die Größe und das Wachstum der Stadt: Die Bevölkerung soll bis 2030 auf zwei Millionen Menschen anwachsen. Ein bedeutender Faktor für den Wärmeverbrauch und die Energieeffizienz ist auch der allgemeine Zustand und die Bauweise von Gebäuden. Allein durch eine thermische Sanierung kann der Heizbedarf in älteren Objekten um bis zu zwei Drittel gesenkt werden.

Wesentlich für die Dekarbonisierung der Wärmeversorgung in Wien ist der Ausbau der Fernwärme. Sie hat einen entscheidenden Vorteil: Um die Fernwärme zu dekarbonisieren, muss „nur“ die Energiequelle ausgetauscht werden. Es sind keine massiven Umbauarbeiten im Netz oder bei den EndkundInnen notwendig. Um die Wärme 100% „sauber“ zu produzieren, brauchen wir unterschiedliche Energiequellen. Die Bereiche mit dem größten Potential sind dabei die vermehrte Nutzung von vorhandener Abwärme und Geothermie.

Welche Rolle spielen Innovationen in der Wien Energie? Welche Lösungen werden gerade erforscht?

Forschung und Innovation spielen eine ganz wesentliche Rolle, sie sind der Schlüssel für eine erfolgreiche Energiewende. Nur mit der Nutzung vieler verschiedener grüner Energiequellen kann die Wärmewende gelingen, da heißt es auch: Kreativ werden! Wir setzen vor allem auf innovative Ansätze im Bereich der Abwärmenutzung. Derzeit arbeiten wir beispielsweise daran, bei unserer Müllverbrennungsanlage Spittelau die anfallende Abwärme aus der Rauchgaskondensation als Quelle für eine Wärmepumpe zu nutzen. Diese Hochtemperatur-Wärmepumpe soll künftig mehr als 10 Megawatt Wärme ins Fernwärmenetz einspeisen.

Aber auch die tiefe Geothermie – also Wärmevorkommen hunderte bis tausende Meter unter der Erde – birgt für Wien viel Potential. Derzeit erforschen wir im Rahmen unseres Projektes „GeoTief“ mit einem breiten Konsortium von nationalen und internationalen Experten den Wiener Untergrund. Dafür haben wir bereits 3D-seismische Messungen durchgeführt und sind derzeit noch in der Analysephase des Datenmaterials. Im Laufe dieses Jahres wollen wir die Ergebnisse präsentieren und einen Ausblick geben. Unser Ziel ist es, bis 2030 mindestens 150 Megawatt Fernwärme-Leistung aus der Geothermie zu installieren. Damit könnten wir weitere 135.000 Haushalte mit grüner Wärme versorgen und so bis zu 260.000 Tonnen CO2 im Jahr einsparen.