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uRbE urbane Rebound-Effekte

Im Projekt uRbE wurden die drei Bereiche Gebäude (Raumwärme), Geräte und Personenmobilität hinsichtlich Rebound-Effekten aller Art (direkte, indirekte, …) untersucht, und zwar im städtischen Umfeld. Wichtige Grundlagen bildeten dabei einerseits klare Definitionen der Rebound-Effekte und ihre Abgrenzung gegenüber anderen Energieverbrauchstreibern und andererseits eine gut strukturierte Vorgehensweise zur Erfassung von Rebound-Effekten in der Praxis.

In einem ersten Schritt wurden bereits existierende Daten (-sätze) erhoben (z.B. von der Kallco Gruppe, Stromsparfamilie, …) und auf ihre Validität geprüft. Diese Daten wurden auf Unterschiede zwischen kalkulierten und tatsächlichen Einsparungen untersucht, um einen ersten Überblick über die Größenordnung der Rebound-Effekte zu gewinnen. Die folgende Erhebungstätigkeit wurde sehr umfangreich angelegt. Durchgeführt wurden 172 Interviews und zwei Online-Umfragen mit jeweils einem Rücklauf von über 1.000 Antwortbögen. Der Entwicklung von Fragebogen und Interviewleitfaden wurde größte Aufmerksamkeit gewidmet.

Die erste Umfrage diente der Entwicklung einer Typologie, also einer Untergliederung der Bevölkerung in konsistent beschreibbare Gruppen. Zu diesem Zweck wurden einerseits demographische Daten, andererseits Einstellungen mit Relevanz für Energie-Themen abgefragt. Zusätzlich wurde – bereits im Hinblick auf indirekte Rebound-Effekte – eine Frage nach der Verwendung frei verfügbarer finanzieller Mittel gestellt. Die ausgearbeitete Typologie umfasst sieben Typen und stellt ein wesentliches Ergebnis des Projekts uRbE dar.

Die zweite Umfrage umfasste neben den Fragen der ersten Umfrage auch alle betrachteten Bereiche (Gebäude, Geräte, Mobilität) gemeinsam, wodurch auch genauere Rückschlüsse auf indirekte Rebound-Effekte möglich wurden. Mit insgesamt 143 Fragen war sie wesentlich umfangreicher als die erste Umfrage.

Die Interviews dienten vor allem der Identifikation von Ursachen der Rebound-Effekte. Um solche Zuordnungen plausibel und aussagekräftig begründen zu können, kommt präziser Technik und fundierten Methoden besondere Bedeutung zu. Daher wurde eine spezifische Kommunikationsstrategie entwickelt, die u.a. auf den Erkenntnissen der Transaktionsanalyse beruhte.

Die erhobenen Daten und die Auswertungen von Umfragen und Interviews dienten als Grundlage bzw. Input für die Modellierungen in den drei untersuchten Bereichen. Die drei Bereichs-Modelle liefern quantitative Aussagen zu direkten Rebound-Effekten und wurden schließlich im „Gesamt-Modell“ verknüpft, um auch (quantitative) Aussagen zu indirekten Rebound-Effekten treffen zu können.

In einer folgenden Analyse wurden Unterschiede zwischen kalkulierter und tatsächlicher Einsparung untersucht, Rebound-Effekte identifiziert und quantifiziert sowie ihre Ursachen aufgezeigt und erklärt. Aufbauend auf den Daten, Ursachen und Korrelationen wurden Maßnahmen erarbeitet, die geeignet sind Rebound-Effekte zu vermeiden oder zumindest zu verringern.

Im Rahmen des Projektes konnten keineswegs alle Untergruppen der Bevölkerung aussagekräftig erfasst werden. Als Grundlage für künftige Forschungsarbeiten wurden daher Empfehlungen entwickelt, die eine Erfolg versprechende Vorgehensweise vorschlagen und explizit darstellen, wo Datengrundlagen auszubauen sind. Aus den Empfehlungen für vertiefende Forschung wurden schließlich auch Empfehlungen für die Forschungs- und Innovationsförderung abgeleitet.

Ausgangssituation

Energieeffizienz ist eines der großen Themen unserer Zeit. Dementsprechend vielfältig ist die Palette an verfügbaren zweckdienlichen Effizienzmaßnahmen. Allerdings verringern Rebound-Effekte die Wirkung dieser Maßnahmen.

Aufgrund der Tatsache, dass Rebound-Effekte bereits lange bekannt sind (W. Stanley Jevons, 1865), ist die Theorie gut erforscht. Die Empirie ist allerdings ausgesprochen lückenhaft, was nicht zuletzt auf mangelhaftes Datenmaterial zurückzuführen ist. Wie zahlreiche Projekte und Studien zeigen, ist die Erfassung und Quantifizierung von Rebound-Effekten in der Praxis sehr schwierig. So können direkte Rebound-Effekte oft nur innerhalb großer Bandbreiten angegeben werden:

  • Raumheizung 10 bis 30%
  • Raumkühlung 0 bis 50%
  • Warmwasserbereitstellung 10 bis 40%
  • Beleuchtung 5 bis 15%
  • PKW-Verkehr 10 bis 30%
  • Haushaltsgeräte um 20%

Allerdings besteht nicht nur ein gravierender Mangel an Empirie, sondern sogar innerhalb der Forschergemeinschaft Uneinigkeit über wesentliche Grundbegriffe und Definitionen. Indirekte Rebound-Effekte werden häufig gar nicht quantifiziert.

Projektverlauf

Wesentlich für die Arbeiten und die Bewältigung der Herausforderungen im Projekt uRbE war das von Beginn an hervorragende Arbeitsklima innerhalb des Projektteams. Zu diesen Herausforderungen zählten z.B. die Klärung der „Begriffswelt“ (Definitionen, Abgrenzungen) und die Modellentwicklung (Konsistenz zur Praxis).

Meilensteine

  1. klare Definition der Rebound-Effekte
  2. Ursachen der Rebound-Effekte
  3. Typologie
  4. Modell zur Quantifizierung von Rebound-Effekten
  5. technologie- und systembezogenen Maßnahmen
  6. Empfehlungen für die Förderung von Forschung, Entwicklung und Innovation

"Ein Rebound-Effekt kommt selten allein!"

– Rupert Christian –

Ergebnisse

Rebound-Effekte hängen stark von Einstellungen zu Energiethemen, Verhaltensmustern und Handlungspräferenzen, jedoch weniger von demographischen Merkmalen ab. Damit ist zwar unterschiedliches Verhalten seitens unterschiedlicher Gruppen der Bevölkerung zu erwarten, die Untergliederung weicht aber von herkömmlichen Typologien (z.B. Lifestyle-Gruppen) ab. Insgesamt konnten sieben „Typen“ definiert werden:

  • die Umweltbewussten
  • die Energiesparer
  • die Sparmeister
  • die Technik-Affinen
  • die Bequemen
  • die Sorglosen
  • die Flexiblen

Die Ursachen für Rebound-Effekte wurden in Übereinstimmung mit (Teilen) der Literatur unterschieden in

  • Ursachen im engeren Sinn (Wünsche, Bedürfnisse, …),
  • sogenannte Enabler (finanzielle, soziopsychologische, …) sowie
  • äußere Rahmenbedingungen und Strukturen.

Um die Rebound-Effekte zu quantifizieren, wurden Modelle in den Bereichen Gebäude, Geräte und Mobilität sowie ein Gesamt-Modell entwickelt. Bei zwei Typen (Bequeme, Sorglose) führte die geringe Samplegröße in Kombination mit dem Antwortverhalten in einigen Fällen zu wenig plausiblen Ergebnissen wie z.B. geringeren Temperaturen nach der Sanierung – mit der Konsequenz eines negativen direkten Rebound-Effekts. Bei den Technik-Affinen ist der Rebound-Effekt ebenfalls negativ. Die Auswertung zeigt hier aber, dass dieser Typ die Raumtemperatur mit der Sanierung tatsächlich reduziert hat.

Die weiteren direkten Rebound-Effekte liegen im Bereich von 0% bis 6%, für die Gesamtheit der Respondenten der zweiten Umfrage ergibt sich ein direkter Rebound-Effekt von 2,54%. Im Vergleich mit der Literatur (10% – 30%) liegen diese Werte niedrig, was aber auf die hohe Qualität der modellierten Sanierung (auf einen HWB von 18,50 kWh/m²a). zurückzuführen ist. Allgemein gilt: Je höher die Einsparung desto geringer der direkte Rebound-Effekt!

Im Mobilitäts-Bereich wurden direkte Rebound-Effekte in den zwei Szenarien „Business as Usual“ und „Klimaschutz“ quantifiziert. Das „Business as Usual“ Szenario ergab direkte Rebound-Effekte von 9% für Wien und das Umland, das „Klimaschutz“ Szenario 8% für Wien und 12% für das Umland. Diese Ergebnisse liegen an der unteren Grenze der in der Literatur als „realistisch“ betrachteten Bandbreite (10% – 30%).

Die folgende Abbildung zeigt die für unterschiedliche Geräte gefunden Bandbreiten (minimaler bis maximaler Rebound-Effekt nach Typen) für direkte Rebound-Effekte.

RE Geraete Bandbreiten

In der Literatur werden Rebound-Effekte in diesem Bereich meist mit „bis zu 20%“ angegeben. Geschirrspüler (GS), Waschmaschine (WM) und Wäschetrockner (WT) liegen also etwas über diesem Bereich, Kühlschrank (KS), Gefriergerät (GG) und Kühl-Gefrier-Kombination (KGK) entsprechen ihm hingegen recht genau. Die TV-Geräte (TV) und Computer (COM) liegen mit rund 17% bis 37% bzw. 58% bis 81% deutlich über den Angaben aus der Literatur. Der Grund für die hohen direkten Rebound-Effekte besonders bei Computern liegt darin, dass hier Energieeffizienz ein bestenfalls untergeordnetes Kaufkriterium darstellt.

Im uRbE-Gesamtmodell wurden schließlich auch indirekte Rebound-Effekte quantifiziert. Die folgende Abbildung zeigt den direkten Rebound-Effekt im Bereich Mobilität und den indirekten im Bereich Raumwärme nach Einkommensquartilen.

indirekte RE

Bei einer Effizienzsteigerung der Pkw-Nutzung von 10% kompensieren der direkte und indirekte Rebound-Effekt in den beiden unteren Einkommensquartilen rund drei Viertel des theoretisch möglichen Einsparpotentials. Mit höheren Effizienzsteigerungen geht der indirekte Rebound-Effekt in den beiden unteren Einkommensquartilen zurück. Bei einer Effizienzsteigerung von 50% betragen der direkte und indirekte Rebound-Effekt in den beiden unteren Einkommensquartilen rund 30%. Im Gegensatz dazu treten im dritten Einkommensquartil aufgrund der Sättigung im Bereich der Raumwärme nur direkte Rebound-Effekte in der Größenordnung von 1 bis 3% auf.

All diese Ergebnisse dienten als Grundlage für die Entwicklung von Maßnahmen zur Vermeidung oder Linderung von Rebound-Effekten. Diese Maßnahmen wurden in strukturelle, regulatorische, finanzielle und Bildungsmaßnahmen untergliedert. Dabei wird – vor allem aufgrund der Möglichkeit, die Ursachen im engeren Sinn nicht nur einzubeziehen sondern direkt anzusprechen – den Maßnahmen im Bereich der Bildung die höchste Akzeptanz seitens der Bevölkerung attestiert.

Schließlich wurden vom Projektteam – UMA (Projektleitung), IVV, eNu und FWU waren darin vertreten – Empfehlungen für künftige Forschungsarbeiten entwickelt. So konnten (und sollten) im Rahmen dieses Projektes keineswegs alle Untergruppen der Bevölkerung aussagekräftig erfasst und die zahlreichen Lücken der Empirie geschlossen werden. Es wird künftig darum gehen, nicht nur alle in Haushalten konsumierten Energiedienstleistungen (über Gebäude, Geräte und Mobilität hinaus) zu erfassen, sondern die Zielgruppen und beobachteten Bereiche wesentlich zu erweitern (städtische und ländliche Bereiche, Unternehmen, Städte und Gemeinden, …), Langzeitstudien zur Beobachtung und Auswertung der Wirkungen von Maßnahmen der Energieeffizienz ebenso wie zu den Verhaltensweisen der Verbraucher durchzuführen sowie adäquate Maßnahmen und Instrumente von der Grundlagenforschung bis zur konkreten Umsetzung zu konzipieren.

Als wesentlich für das Gelingen dieser Arbeiten wird interdisziplinäre Zusammenarbeit (zumindest mit Kompetenzen aus Ökologie und Technik, Ökonomie und Sozialwissenschaften) als unabdingbar empfohlen und ebenso transdisziplinäre Kooperation zwischen Wissenschaft und Praxis (Unternehmen, Kommunen, …). Aus den Empfehlungen für vertiefende Forschung wurden schließlich auch Empfehlungen für die Forschungs- und Innovationsförderung abgeleitet.

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