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Brainy Heat Grids Senkung der Systemtemperatur von Wärmenetzen mittels ML-unterstützter Regelalgorithmen

Aufgrund der über Jahre gewachsenen heimischen Wärmenetze werden oft Abnehmer mit Hochtemperatur- als auch Abnehmer mit Niedertemperaturwärmeabgabesystemen von ein und demselben Wärmenetz versorgt. Obwohl eine Absenkung des Temperaturniveaus an diversen Netzstellen für Abnehmer oft prinzipiell möglich wäre, wird dies oft aufgrund benachbarter Hochtemperaturwärmeabgabesysteme erschwert, da laufende Wärmelieferverträge erfüllt und die Versorgungssicherheit gewährleistet werden müssen.
Besonders eine Absenkung der Rücklauftemperatur würde sich aus Sicht des Wärmenetzbetreibers positiv auswirken. Zum einen könnten Brennwertkessel, als auch solarthermische Anlagen, welche vorwiegend in den Rücklauf einspeisen, effizienter betrieben werden. Weiters sinken die Verluste im Verteilungssystem sowie, aufgrund der höheren Temperaturspreizung des Heizwassers, die erforderliche Pumpleistung. Schließlich erleichtert die Temperaturabsenkung die Einspeisung industrieller oder gewerblicher Abwärme, bzw. macht deren Einspeisung wirtschaftlicher, indem keine Wärmepumpen zur Temperaturanhebung zwischengeschaltet werden müssen. Auch für die Einspeisung anderer dezentraler Wärmequellen wird das Wärmenetz dadurch offener.
Bisherige Projekte setzten oftmals auf die Auskühlung des Rücklaufs mittels diverser Wärmepumpenanwendungen, was sich aber nur bedingt als wirtschaftlich erwiesen hat, vor allem aufgrund der großen Investitions- und Betriebskosten solcher Anlagen. Das vorliegende Projekt, verfolgt eine andere Strategie indem die vorhandene Infrastruktur bestmöglich verwendet wird. Diese Strategie setzt voraus, dass diverse Wärmeübergabestationen zentral angesteuert werden können, wenn von Seiten der Abnehmer diese freigegeben wurden. Aufgrund der zunehmenden Digitalisierung im Fernwärmesektor werden solche Ansteuerungen in Zukunft immer häufiger möglich sein. Oberstes Ziel dieser innovativen Regelstrategie ist es, dass diese keine negativen Auswirkungen auf die Versorgungssicherheit aller Abnehmer im Wärmenetz hat. Deshalb, erfolgt von der Sekundärseite immer zuvor eine Freigabe dieses, zur Wärmeübergabestation gehörenden, Regelventils.
Durch die Freigabe besitzt der Wärmenetzbetreiber nun die Möglichkeit dieses Flexibilitätspotential auf der Sekundärseite, welches in Form eines Pufferspeichers bzw. einer Gebäudespeichermasse zur Verfügung gestellt werden kann, zu nutzen, und die jeweiligen Wärmeübergabestationen entsprechend zu regeln, so dass dies temperatursenkende Auswirkungen auf relevante Netzbereiche hat.
Die Anwendung dieser Lösungsstrategie auf Wärmenetze mit einer zunehmenden Anzahl an steuerbaren Wärmeübergabestationen führen dazu, dass aufwendige und rechenintensive Netzsimulationen mit Solver-Lösungen im Echtzeitbetrieb parallel zum Netzbetrieb durchgeführt werden müssten. Um dies zu umgehen, wird in Brainy Heat Grids ein Machine Learning-Ansatz verfolgt, indem vorab Netzsimulationen mit iterativen Solver-Lösungen, mit dem Ziel der Absenkung der Systemtemperatur an relevanten Netzstellen, durchgeführt werden. Durch die Auswahl relevanter variierbarer Parameter und unter Zuhilfenahme von Batch-Simulationen soll, die Anzahl der zu berechneten Betriebsfälle minimiert werden, so dass auch eine Anwendung in der Praxis möglich ist. In diesem Prozess des überwachten Lernens wird dem System durch die Solver-Berechnung demnach vorgegeben, wann welches Regelventil angesteuert werden soll.
Da die Ansteuerung der einzelnen Regelventile von der Wärmezentrale aber auch die Freigabe dieses Regelventils von Seite des Abnehmers wesentlich vom zukünftigen Wärmebedarf abhängt, sollen sowohl Systeme mit Wärmelastprognosen für das gesamte Wärmenetz als auch für die entsprechenden Abnehmer mit einbezogen werden. Hierbei können einfache Wärmelastprognosen basierend auf der prognostizierten Witterung als auch komplizierte ML-Ansätze, welche bereits in der Literatur beschrieben und in der Praxis angewendet wurden, für den aktuellen Fall untersucht werden.

Ausgangssituation

Damit in Wärmenetzen Wärmerzeugungsanlagen, wie z. B. Brennwertkessel oder solarthermische Anlagen, möglichst effektiv arbeiten und industrielle/gewerbliche Abwärmequellen eingespeist werden können, ist es erforderlich, dass das Heizmedium von den Wärmebedarfsstellen, wie Heizkreisen oder Trinkwassererwärmungssystemen, möglichst stark abgekühlt wird. Noch wichtiger ist eine hohe Auskühlung des Wassers im Heizkreis in Bezug auf die Wärmeverteilung. Je stärker das Wasser von der Wärmebedarfsstelle abgekühlt wird, desto weniger umlaufende Wassermenge ist zum Übertragen einer bestimmten Leistung erforderlich. Zusätzlich reduziert eine niedrige Temperaturdifferenz zur Umgebung die Verteilverluste wesentlich. Je weiter ein Wärmenetz verzweigt ist, desto stärker macht sich eine niedrige Systemtemperatur bemerkbar. Aus den oben genannten Gründen kann durch Senkung der Heizwasserrücklauftemperatur die Effizienz von Wärmenetzen enorm gesteigert werden, da unter anderem eine wesentlich geringere Pumpleistung zum Wärmetransport ausreicht und die Verteilverluste an die Umgebung stark reduziert werden.
Die Rücklauftemperatur von Wärmebedarfsstellen kann mittels moderner Flächenheizungen, wie z. B. einer Fußbodenheizung, sehr leicht unter 40°C gesenkt werden. Auch bei der Trinkwassererwärmung von 10 auf 60°C ist eine Auskühlung des Heizmediums auf eine Temperatur unter 30°C möglich, so dass fernwärmenetzseitige Rücklauftemperaturen unter 40°C realistisch erreicht werden können.
In der Praxis sieht es leider oft anders aus. Der Anreiz von Seiten der Abnehmer Flächenheizungen nachzurüsten, ist vor allem im mehrgeschossigen Wohnbau, meistens nicht gegeben. So sind in österreichischen Wärmenetzen meistens Abnehmer vorhanden, die eine unterschiedliche Rücklauftemperatur zur Verfügung stellen können. In den letzten Jahren wurden sogar wieder verstärkt Hochtemperaturheizungssysteme installiert. Da die Vorlauftemperatur an den Wärmeübergabestationen der Abnehmer oft vertraglich festgelegt ist, bzw. die Vorlauftemperatur am Heizwerk in Abhängigkeit der Außentemperatur geregelt wird, um die Versorgungssicherheit gewährleisten zu können, besteht von Seite des Wärmenetzbetreibers kein Spielraum. Anders als bei der Vorlauftemperatur wird die Rücklauftemperatur von der gesamten abgenommenen Wärme der Abnehmer festgelegt.
Um die Rücklauftemperatur in relevanten Netzabschnitten senken zu können, wurden bisher vorwiegend Systeme mit Wärmepumpenanwendungen zur Rücklaufauskühlung untersucht. Dabei dient der Rücklauf als Wärmequelle und der Vorlauf als Wärmesenke. Vor allem aufgrund der großen Investitions- und Betriebskosten haben sich solche Anlagen als nur bedingt wirtschaftlich erwiesen, obwohl die Umbauten nur netzseitig durchgeführt werden müssen und dadurch alle Abnehmer in ihrem Betrieb unberührt bleiben.

 

Projektverlauf

Bei der Entwicklung der Regelstrategie mit den ML-Ansätzen können in Abhängigkeit der Netzstruktur unterschiedliche Betriebsmodi gewählt werden:
• Allgemeine Senkung der Rücklauftemperatur
• Senkung der Rücklauftemperatur zu gewissen Zeitpunkten
• Kombinierte Regelstrategie
Alle drei Betriebsmodi haben gemein, dass mit Hilfe einer mit ML unterstützten Regelstrategie bestimmt werden soll, wann welches Regelventil geschlossen oder geöffnet wird, unter der Voraussetzung, dass die Versorgungssicherheit aller Abnehmer im Wärmenetz stets gewährleistet ist. Dazu wird die Regelstrategie zweistufig aufgebaut (ML-Algorithmus + Basisregelung) Der ML-Algorithmus liefert Vorschläge zur optimalen Schaltung der Ventilstellung und ist in einer übergeordneten Regelung eingebettet, die die tatsächliche Ansteuerung der Ventile übernimmt und überwacht, dass keine unzulässigen Zustände im Netz auftreten. Das entspricht einer Art Basisregelung für die Einhaltung harter Grenzen und einer Optimierung durch ML innerhalb definierter dafür freigegebener Bereiche.
Die in der Co-Simulation generierten Daten stellen die Grundlage für das Training des ML-Algorithmus dar. Es wird angestrebt nur (Mess-)Daten zu verwenden, die auch in der Praxis mit vertretbarem Aufwand zur Verfügung stehen. Das Modell wird darauf trainiert, eine möglichst niedrige Rücklauftemperatur am Heizwerk zu liefern, in dem Aussagen über die optimale Schaltung der Regelventile der ansteuerbaren Übergabestationen getroffen werden. Das betrifft nur jene Übergabestationen, die für die Optimierung freigeben werden. Darüber hinaus soll auch das Adressieren andere Parameter, wie das Hinzuschalten eines Backup-Kessels oder das Aktivieren eines Pufferspeichers untersucht werden. Da der veränderte Betriebsmodus unmittelbaren Einfluss auf die Wärmelastprognose hat, muss in diesem Fall eine Rückkopplung berücksichtigt werden. Dies ist damit zu begründen, dass der Regelalgorithmus von verschiedenen Abnehmern verändert wird. Normalerweise werden die Regelventile der einzelnen Wärmeübergabestationen, welche den Wärmestrom der abgenommenen Wärme regeln, von der Sekundärseite angesprochen. Meistens dient eine Temperatur im sekundären Heizkreis hier als Regelparameter, z. B. die Temperatur in einem sekundären Pufferspeicher. Im neuen Steuerungsfall würde dieser Regelparameter aber mit einer gewissen Toleranz behaftet werden, so dass dieser Abnehmer dem übergeordneten System eine gewisse Flexibilität zur Verfügung stellen kann. Damit kann ein Abnehmer unter Berücksichtigung der Wärmelastprognose (für das Heizwerk) und gegebenenfalls unter Berücksichtigung der Wärmelastprognose für den relevanten Abnehmer, früher oder später als bei einer normalen Regelung mit Wärme versorgt werden. Inwiefern auch interne Speichermassen der Gebäude, welche eine gewisse Trägheit für das Heizungssystem bedeuten, in die Regelung einfließen müssen, soll im Zuge des vorliegenden Projekts untersucht werden.

Meilensteine

  1. M1.1 Projekt gestartet
  2. M1.2 Projektabschluss
  3. M2.1 1. ExpertInnen-Workshop wurde abgehalten
  4. M3.1 Prognoseverfahren wurde festgelegt
  5. M3.2 Prognoseverfahren wurde erfolgreich auf allen Systemebenen erfolgreich validiert
  6. M4.1 Die gesamte Simulation wurde erfolgreich evaluiert
  7. M5.1 Festgelegte Regelstrategie
  8. M6.1 2. ExpertInnen-Workshop wurde abgehalten
  9. M6.2 Evaluierung abgeschlossen

"Bisherige Projekte setzten oftmals auf die Auskühlung des Rücklaufs mittels diverser Wärmepumpenanwendungen, was sich aber nur bedingt als wirtschaftlich erwiesen hat. Brainy Heat Grids verfolgt eine andere Strategie indem die vorhandene Infrastruktur bestmöglich verwendet wird. Man setzt dabei voraus, dass diverse Wärmeübergabestationen zentral angesteuert werden können. Aufgrund der zunehmenden Digitalisierung im Fernwärmesektor werden solche Ansteuerungen in Zukunft immer häufiger möglich sein. "

– Markus Rabensteiner –

Ergebnisse

• Optimale Vorgangsweise bei der Umsetzung der Technologie
• Zusammenfassendes Simulationspaket bestehend aus Wärmelastprognose, Netzsimulation, ML-Regelalgorithmus und entsprechenden Schnittstellen
• Integrierung der Regelstrategie in die Systemregelung
• Ansätze der Prozessvereinfachung und Automation für den Praxiseinsatz der Technologie

Steckbrief