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Der Seilrechen Der Seilrechen als Fischschutz- und Fischleiteinrichtung an Laufwasserkraftanlagen

Bei nahezu allen heimischen Fischarten spielen flussabwärtsgerichtete Wanderungen im Fließgewässer eine wesentliche Rolle in ihrem Lebenszyklus. Flusskraftwerke verzögern bzw. verhindern diese Wanderungen, sofern geeignete Maßnahmen zum Fischschutz und Fischabstieg fehlen. Darüber hinaus werden Fische bei der Turbinenpassage, abhängig vom Turbinentyp und -betrieb, geschädigt oder getötet. Zur Herstellung der ökologischen Durchgängigkeit gemäß der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) sind daher neben Fischaufstiegsanlagen auch funktionsfähige Fischschutz- und Fischabstiegsanlagen an Wasserkraftanlagen zu gewährleisten, um einen guten ökologischen Zustand der Gewässer zu erreichen. Nach derzeitigem Stand der Technik werden für den technischen Fischschutz und Fischabstieg an WasserkraftanlagenLeitrechen-Bypass-Systeme mit lichten Weiten zwischen 10 und 15 mm empfohlen. Für mittlere und große Laufwasserkraftanlagen gibt es bezüglich der Gewährleistung des Fischschutzes und speziell für heimische, potamodrome (sh. im Süßwasser wandernde) Fischarten jedoch noch starke Wissensdefizite.

Im Rahmen des Forschungsprojektes wurde der Seilrechen, als innovatives Fischschutzkonzept, hinsichtlich seiner fischbiologischen Wirksamkeit sowie seiner hydraulischen und technischen Eigenschaften im Wasserkraftbetrieb untersucht. Der Seilrechen besteht aus Stahlseilen, die in einer bestimmten, aus dem Fischschutz geforderten, lichten Weite vor dem Turbineneinlauf gespannt sind. Eine Leitwirkung in Richtung Fischabstieg soll durch die schräge Anordnung gegenüber der Anströmrichtung (<45°) erzeugt werden. Im Gegensatz zu starren Horizontalrechen ermöglicht die flexible Struktur des Seilrechens ein vergleichsweise einfaches Verfahren zur Rechenreinigung: Treibholz und andere Schwimmstoffe werden mobilisiert, indem die Stahlseile einzeln oder gruppenweise entspannt werden. Im Hochwasserfall (bei eingestelltem Turbinenbetrieb) werden alle Seile auf der Sohle abgelegt, sodass der gesamte Fließquerschnitt für Geschwemmsel, Sedimente und Abfluss durchgängig ist. Im Unterwasser des Seilrechens ist bei konventionellen (nicht überströmten) Flusskraftwerken ein Turbinenschutzrechen mit Rechenreinigung erforderlich. Bei Revitalisierungsprojekten hingegen ist dieser in der Regel vorhanden und kann weiter genutzt werden.

Das Forschungsprojekt wurde in enger Zusammenarbeit eines interdisziplinären Projektteams aus Forschung und Praxis bearbeitet. Im Rahmen von insgesamt vier fachlichen Schwerpunkten wurden dabei folgenden Themen näher behandelt.Die Fischschutz- und Fischleitwirkung am Seilrechen wurde an einem ethohydraulischen Ausschnittsmodell (M 1:1) an der HyTEC-Versuchsanlage der BOKU Wien in Lunz am See untersucht.  Dazui wurden umfangreiche Versuche mit den Fischarten Aitel, Äsche, Bach- und Regenbogenforelle durchgeführt und statistisch ausgewertet. Anschließend wurden Vorversuche an einem elektrifizierten Seilrechen durchgeführt. Das Schwingungsverhalten der Seile unter Anströmung wurde vom Arbeitsbereich Angewandte Mechanik der Universität Innsbruck im Rahmen einer umfangreichen Literaturrecherche und der Entwicklung eines Simulationsmodells untersucht. Betriebliche Aspekte des Seilrechens, wie die Rechenreinigung und die Seilspann- und Steuerungstechnik, wurden in Zusammenarbeit mit der Fa. Albatros näher untersucht und optimiert. An einem physikalischen Modellversuch (M 1:4) im Labor des Arbeitsbereichs Wasserbau wurden dazu umfangreiche Versuche zur Rechenreinigung unter Variation verschiedener Verlegungs- und Betriebsszenarien durchgeführt. Anschließend daran wurden weitere Konzepte zum automatisierten Entfernen von problematischem Rechengut, wie z.B. Gräser und Algen, entwickelt und am gleichen Modell getestet. Die Seilspann- und Seilsteuerungstechnik des Seilrechens konnte an einem Großversuch an einem 80 m langen Seilrechen mit einem Seilabstand von 15 mm auf dem Gelände der Fa. Albatros „im Trockenen“ geprüft werden. Durch den Teststand war es möglich das technische Konzept weiter auszuarbeiten und hinsichtlich der Kosten zu optimieren. Darüber hinaus wurden Versuche zu den örtlichen hydraulischen Verlusten am Seilrechen an einem physikalischen Ausschnittsmodell im Maßstab 1:4 im Labor des Arbeitsbereich Wasserbau durchgeführt, wobei unterschiedliche Rechengeometrien (Seilabstand, Winkel) und Anströmgeschwindigkeit systematisch untersucht wurden. Abschließend wurden auf Basis der Ergebnisse die Kosten für Seilrechen für insgesamt vier Lastfälle kalkuliert und mit den Kosten vergleichbarer Fischschutz- und Fischleiteinrichtungen verglichen. Insgesamt war es durch dieses interdisziplinäre Forschungsprojekt möglich, zahlreiche essentielle wissenschaftliche und praxisorientierte Fragestellungen zu behandeln und zu beantworten. 

Ausgangssituation

Der Wasserkraft als regenerativer, heimischer Energieträger kommt im alpinen Raum besondere Bedeutung zu. Ein weiterer Ausbau der Wasserkraft in Österreich ist im Zuge der Europäischen Klimaschutzpolitik vorgesehen, steht jedoch in einem unmittelbaren Konflikt mit den Umweltzielen der EU-Wasserrahmenrichtlinie (EU-WRRL; Verschlechterungsverbot bzw. Verbesserungsgebot). Die Wichtigkeit ökologischer Modernisierungsmaßnahmen von Wasserkraftprojekten steht außer Frage, nicht zuletzt für die Erteilung wasserrechtlicher Genehmigungen für neue wie auch bestehende Wasserkraftanlagen. Große Wissensdefizite bestehen derzeit vor allem bezüglich der Gewährleistung einer für Fische schadlosen flussabwärts gerichteten Durchwanderbarkeit von Wasserkraftanlagen. Laut derzeitigem Stand der Technik werden hohe Schutzraten nur durch mechanische Barrieren erreicht; in der Praxis meist Rechenanlagen mit vertikal oder horizontal angeordneten Stahlstäben mit sehr geringen Stabweiten. Der entsprechend hohe Verbauungsgrad dieser Feinrechen führt zu einer hohen Verlegungsanfälligkeit und hat einen hohen Rechenreinigungsaufwand zur Folge. Bisher sind solche Anlagen nur an kleinen Laufwasserkraftwerken technisch und wirtschaftlich realisierbar.

Steckbrief