AWEEMSS Analyse der Wirkungsmechanismen von Endenergieeffizienz-Maßnahmen und Entwicklung geeigneter Strategien für die Selektion ökonomisch-effizienter Maßnahmenpakete
Ab 1. Januar 2008 wird die EU-Richtlinie 2006/32/EG über Endenergieeffizienz und Energiedienst-leistungen von den EU-27 umzusetzen sein. Ab diesem Datum haben die Mitglieds-staaten 9 Jahre Zeit, ihre Nachfrage nach Endenergie um insgesamt 9 % zu reduzieren. Die Mitgliedsstaaten haben gemäß der Richtlinie das Recht aus einer Reihe von Instrumenten zur Steigerung der Endenergie-effizienz zu wählen. Diese Instrumente werden in groben Zügen in Anhang III der Richtlinie er-läutert.
Weiters findet sich im 1. Energieeffizienzaktionsplan der Republik Österreich zur Richtlinie 2006/32/EG eine Auflistung der zahlreichen Energieeffizienzmaßnahmen, die Österreich zur Erreich-ung der Ziele durchführen wird bzw. plant durchzuführen.
Die bereits ambitionierten Ziele der Richtlinie 2006/32/EG werden jedoch von den Forderungen des „Aktionsplan für Energieeffizienz“ der Europäischen Kommission, der eine Reduzierung der Energie-nachfrage von mindestens 20 % bis 2020 fordert , noch bei weitem übertroffen. Auch in diesem Pa-pier wird eine Reihe von Maßnahmenpaketen angesprochen, die zur Erreichung der Ziele beitragen sollen.
Aus den Maßnahmenvorschlägen der oben angesprochenen Papiere mit insgesamt weit über hundert Einzelmaßnahmen muss in weiterer Folge eine geeignete Strategie entwickelt werden, wie die ambitionierten Ziele der Europäischen Kommission auf wirkungsvolle, kosteneffiziente und wirt-schaftsfördernde Art und Weise erreicht werden können. Aus Sicht der Autoren sind dazu folgende Schritte notwendig:
1. Prüfung der einzelnen Maßnahmen hinsichtlich ihrer tatsächlichen Einsparwirkung in kWh.
2. Feststellung und Analyse der Potentiale für die Implementierung der einzelnen Maßnahmen.
3. Feststellung des Kosten-Nutzen-Verhältnisses der einzelnen Maßnahmen.
4. Erarbeitung von Szenarien, wie die Einsparziele unter verschiedenen Strategien erreicht werden können.
5. Bewertung der einzelnen Strategien hinsichtlich ihrer volkswirtschaftlichen Wirkung.
Bipolares Ranking der Strategien hinsichtlich ihrer Effizienzwirkung bzw. ihrer Bedeutung für den Wirtschaftsstandort Österreich
Ausgangssituation
Ziel der vorliegenden Studie ist die Evaluierung möglicher Strategien zur Verbesserung der Endenergieeffizienz im Rahmen der Richtlinie 2006/32/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über Endenergieeffizienz und Energiedienstleistungen bis zum Jahr 2016.
Das Hauptziel der Richtlinie 2006/32/EG (ESD) ist es, die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union aufzufordern, 9 % ihres Endenergieverbrauchs innerhalb eines Zeitraumes von 9 Jahren gegenüber der business-as-usual-Entwicklung zu senken. Die Betonung liegt hierbei auf „auffordern“, da sich das Europäische Parlament und der Rat nicht darauf einigen konnten, diese Energieeinsparungen verpflichtend von den Mitgliedstaaten zu fordern. Das Ziel ist somit indikativ und die Mitgliedstaaten sind im Grunde nur dazu verpflichtet ausreichende Anstrengungen zur Erhöhung der Energieeffizienz im Rahmen von Zwischenberichten, die alle drei Jahre vorzulegen sind, nachzuweisen.
Ziel und Zweck der Energieeffizienz-Richtlinie ist es, die Effizienz der Endenergienutzung kostenwirksam zu steigern. Hierzu soll die Energieeffizienz-Richtlinie die Rahmenbedingungen für die Schaffung der Voraussetzungen für die Entwicklung und Förderung eines Markts für Energiedienstleistungen legen. Die Richtlinie gilt dabei für (siehe Art. 2)
- Anbieter von Energieeffizienz-Maßnahmen, Energieverteiler, Verteilernetzbetreiber und Energieeinzelhandelsunternehmen;
- Endkunden, mit Ausnahme der Unternehmen, die am Europäischen Emissionshandelssystem beteiligt sind;
- die Streitkräfte, soweit ihre Anwendung nicht mit der Art und dem Hauptzweck der Tätigkeit der Streitkräfte kollidiert und mit Ausnahme von Material, das ausschließlich für militärische Zwecke verwendet wird.
Bei der Festlegung der Art und Weise wie die Richtlinie von den einzelnen Mitgliedsstaaten umgesetzt werden soll, wird eine Reihe an Optionen vorgegeben, aus denen der einzelne Mitgliedstaat wählen kann. Die erste mögliche Option besteht darin, aus den folgenden genannten Maßnahmen eine oder mehrere zu wählen, die von den Energieverteilern, Verteilernetzbetreibern und/oder Energiehandelsunternehmen zu erbringen sind:
- Förderung von Energiedienstleistungen mit wettbewerbsorientierter Preisgestaltung und Sicherstellung des entsprechenden Angebots für ihre Endkunden.
- Förderung von unabhängig durchgeführten Energieaudits mit wettbewerbsorientierter Preisgestaltung und/oder von Energieeffizienz-Maßnahmen im Einklang mit Artikel 9 Absatz 2 und Artikel 12[1] und Sicherstellung der entsprechenden Verfügbarkeit für ihre Endkunden.
- Beteiligung an Fonds und Finanzierungsverfahren.
Die zweite Option besteht darin, freiwillige Vereinbarungen und/oder andere marktorientierte Instrumente wie Einsparzertifikate (sogenannte „Weiße Zertifikate“) zu schließen bzw. einzuführen. In Österreich wird im Moment die zweite Option – das Schließen freiwilliger Vereinbarungen – präferiert. Die Verhandlungen darüber sind jedoch im Moment noch im Gange und es liegen nach Kenntnis der Autoren keine offiziellen Dokumente über die geplante Ausgestaltung der freiwilligen Vereinbarungen vor.
Um die in der Energieeffizienz-Richtlinie skizzierten Ziele zu erreichen, soll – gemäß Art. 7 – die Verfügbarkeit von Informationen vor allem durch Energieberatungen verbessert werden. Durch Qualifikations-, Zulassungs- und Zertifizierungssysteme soll die Qualität der angebotenen Energiedienstleitungen gewährleistet werden (Art. 8). Art. 9 fordert die Aufhebung aller steuerrechtlichen Regelungen in den Mitgliedsstaaten, die die Nutzung von Finanzinstrumenten auf dem Markt für Energiedienstleistungen behindern oder beschränken.
Gemäß Art. 10 sollen alle Mitgliedsstaaten sicher stellen, dass Anreize in der Struktur der Übertragungs- und Verteilungstarife, die Volumen verteilter oder übertragener Energie unnötig erhöhen, beseitigt werden. Art. 12 betont nochmals die Bedeutung von Energieaudits, mit denen mögliche Energieeffizienz-Maßnahmen ermittelt werden können. Diese Audits sind für alle Kundensegmente anzubieten.
Von allen genannten Maßnahmen, die zur Erhöhung der Energieeffizienz in der Richtlinie genannt werden, ist im Rahmen der vorliegenden Analyse über Energieeffizienz im Wohngebäudesektor vor allem Art. 13 Erfassung und informative Abrechnung des Energieverbrauchs von Bedeutung.
Soweit es technisch machbar, finanziell vertretbar und im Vergleich zu den potentiellen Energieeinsparungen angemessen ist, stellen die Mitgliedsstaaten sicher, dass alle Endkunden in den Bereichen Strom, Erdgas, Fernheizung und/oder –kühlung und Warmbrauchwasser individuelle Zähler zu wettbewerbsorientierten Preisen erhalten, die den tatsächlichen Energieverbrauch des Endkunden und die tatsächliche Nutzungszeit widerspiegeln. […] soweit Gebäude größeren Renovierungen im Sinne der Richtlinie 2002/91/EG unterzogen werden, sind stets solche individuellen Zähler zu wettbewerbsorientierten Preisen zu liefern.
Die Energieabrechnung hat klar und verständlich zu sein und dem Endkunden geeignete Angaben zur Verfügung zustellen, mit denen er seine aktuellen Energiekosten beurteilen kann.
Interessant an dieser Richtlinie ist auch die Berechnung des Einsparzieles, die in Anhang I der Richtlinie beschrieben wird: 9% des einfachen Mittelwerts des gesamten Endenergieverbrauch eines Landes in den fünf Jahren vor Inkrafttreten der Richtlinie (bzw. die letzten 5 Jahre, für die Daten verfügbar sind; im Falle Österreichs 2001-2005) werden als Einsparziel herangezogen. Der Endenergieverbrauch muss jedoch vor dieser Mittelwertbildung um den Endenergieverbrauch der Segmente Flugverkehr, Schweröle, die in der Seeschifffahrt eingesetzt werden (für Österreich nicht relevant) sowie um den Endenergieverbrauch aller Unternehmen[2], die am europäischen Emissionszertifikatehandel teilnehmen, bereinigt werden.
Für Österreich errechnet sich aus diesen Angaben ein indikatives Einsparziel im Jahr 2016 von 22.330 GWh [49]. Das heißt, dass der österreichische Endenergieverbrauch für eine erfolgreiche Erfüllung der Richtlinie im Jahr 2016 um 22.330 GWh unter jenem Wert liegen muss, den der österreichische Endenergieverbauch ohne Durchführung von spezifischen Energieeffizienz-Maßnahmen in diesem Jahr hätte. Dies bedeutet jedoch auch, dass die Richtlinie keine absolute Reduktion des Endenergieverbrauchs unter das Niveau von 2008, sondern lediglich eine Dämpfung des Verbrauchs gegenüber dem business-as-usual verlangt.
[1] Art. 9 (2): (2) Die Mitgliedstaaten stellen vorhandenen oder potentiellen Abnehmern von Energiedienstleistungen und anderen Energieeffizienzmaßnahmen aus dem öffentlichen und privaten Sektor Musterverträge für diese Finanzinstrumente zur Verfügung. Art. 12 bestimmt Anforderungen an die Gestaltung von Energieaudits.
[2] Im Wortlaut der Richtlinie 2006/32/EG wird von Unternehmen, die an den in Anhang I der Richtlinie 2003/87/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Oktober 2003 über ein System für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten in der Gemeinschaft (3) aufgelisteten Kategorien von Tätigkeiten beteiligt sind gesprochen. Diese Formulierung wirft Fragen auf, da Zertifikate für Anlagen, jedoch nicht für ganze Unternehmen ausgegeben werden. Ziel sollte es sein, nur die Anlagen, nicht jedoch den gesamten Endenergieverbrauch eines Unternehmens von der Einsparzielberechnung auszunehmen um das Energieeinsparpotential, das durch Energieeffizienz-Maßnahmen realisiert werden kann, möglichst auszuschöpfen.
Projektverlauf
Die Studie gliedert sich primär in drei Untersuchungseinheiten:
1) Definition und Analyse von potentiell geeigneten Energieffizienz-Maßnahmen (z.B. Austausch ineffizienter Gerätschaften, Sanierung der Gebäudehülle, etc.)
2) Definition und Analyse von potentiell geeigneten politischen Strategien zur Förderung der Umsetzung der Maßnahmen aus 1). Eine politische Strategie beschreibt dabei die Schaffung von rechtlichen Rahmenbedingungen bzgl. Förderungen und Förderkriterien oder das Setzen von Energieeffizienz-Mindeststandards.
3) Die ökonomische Bewertung der unter 2) definierten Energieeffizienz-Strategien hinsichtlich ihres Einflusses auf die zentralen Variablen der österreichischen Volkswirtschaft.
Die Analyse der Energieeffizienz-Maßnahmen bzw. -Strategien erstreckt sich dabei sowohl über den Haushaltsbereich, als auch über den Dienstleistungssektor und die Sachgüterproduktion. Somit ist eine fast vollständige Abdeckung der Richtlinien-relevanten Energieverbräuche gegeben. Jedoch muss angemerkt werden, dass die in dieser Studie analysierten Maßnahmen nach Ansicht der Autoren zwar die potentialreichsten Möglichkeiten für eine rasche Senkung des Endenergieverbrauchs sind, aber keineswegs Anspruch auf Vollständigkeit erhoben wird. Gerade im Unternehmensbereich sind häufig große Energieeinsparungen durch Änderungen in den Prozessabläufen oder durch eine Neustrukturierung der Produktionsanlagen möglich. Eine Studie wie die vorliegende kann jedoch nur Energieeffizienz-Maßnahmen mit relativ homogener Wirkung bei den Endkunden abbilden. Die selektierten Energieeffizienz-Maßnahmen werden in Kapitel 3 und Kapitel 4 der Langfassung dargestellt. Eine Auflistung dieser Maßnahmen zusammen mit den jeweils ermittelten Gesamtpotentialen ist in dieser Zusammenfassung in Kapitel 2.6 zu finden.
Ergebnisse
Maßnahmenbezogene Potentiale der Steigerung von Endenergieeffizienz
Im Rahmen dieser Studie wird eine Vielzahl von Maßnahmen zur Reduzierung des Endenergieverbauchs auf ihre Wirkung hin in Kapitel 3 (Haushalte) und Kapitel 4 (Dienstleistungssektor und Sachgüterproduktion) analysiert. Für diese Maßnahmen wird jeweils die erwartete Energieeinsparung je Umsetzung (Haushalte) bzw. je Einheit derzeitiger Energieverbauch (Dienstleistungssektor und Sachgüterproduktion) ermittelt. Auf Basis dieser Einzeleinsparungen wird in weiterer Folge das Potential dieser Maßnahmen für die Reduktion des jährlichen Endenergieverbrauchs im Zieljahr 2016 berechnet.
Potentiale im Haushaltssektor
Zunächst werden die Potentiale je nach Maßnahme und Anzahl potentieller Implementierungen bis zum Jahr 2016 in den Tabellen 8.6‑1 bis Tabelle 8.6‑5 dargestellt. Die hier dargestellten Potentiale sind additiv zu verstehen. Dies bedeutet, dass die potentiellen Einsparungen z.B. einer Teilsanierung der Gebäudehülle so berechnet wurden, dass bei zusätzlichem Einbau eines hocheffizienten Heizsystems weitere Einsparungen angerechnet werden können. Wird bspw. durch den Austausch aller Fenster und Türen in einem Einfamilienhaus aus der Bauperiode 1945-1970 eine Einsparung von 3.600 kWh erzielt (siehe Tabelle 8.6‑4) und gleichzeitig eine Solarthermieanlage mit 20 m2 installiert, ergibt sich eine anrechenbare Einsparung von 3.600 kWh + 6.000 kWh (siehe Tabelle 8.6‑1) = 9.600 kWh.
Nocheinmal soll darauf hingewiesen werden, dass diese Einsparungen jeweils Durchschnittswerte repräsentieren und damit für die Betrachtung von Energieeffizienz-Strategien mit hohen Implementierungszahlen geeignet sind, jedoch nicht für betriebswirtschaftliche Überlegungen zu einzelnen Objekten herangezogen werden können.
Steckbrief
-
Projektnummer815587
-
Koordinator
-
ProjektleitungJohannes Reichl, reichl@energieinstitut-linz.at
-
Partner
-
FörderprogrammEnergie der Zukunft
-
Dauer02.2008 - 01.2010
-
Budget174.908 €