ReGas4Industry: Zwei Betten sind besser als eines
Unter der Leitung von Hermann Hofbauer, Professor am Institut für Verfahrenstechnik, Umwelttechnik und technische Biowissenschaften der TU Wien, wird untersucht, wie die Industrie biogene Sekundärrohstoffe großtechnisch in Methan (CH4), Wasserstoff (H2) und Hythan (eine Mischung aus Wasserstoff und Methan) verwandeln könnte. Der erste Schritt vom Versuchslabor zum industriellen Einsatz wird gerade getan – und zwar mit der Errichtung einer 1-MW-Zweibettwirbelschicht-Anlage auf einem Gelände der Wien Energie. Hier soll aus Klärschlamm Gas produziert werden.
Rinde und Klärschlamm. Seit Projektbeginn im April 2019 konnten die WissenschaftlerInnen der TU Wien und ihre Partner – SMS group Process Technologies GmbH und Energy & Chemical Engineering GmbH – bereits die vielversprechendsten biogenen Quellen zur Gaserzeugung identifizieren: Rinde und Klärschlamm. „Aus den bisher durchgeführten Versuchen zeigte sich, dass mit Rinde, einem klassischen Nebenprodukt der holzverarbeitenden Industrie, sehr gute Produktgasqualitäten erzeugt werden können“, erklärt Hofbauer. Der Vorteil liegt im geringen Aufwand zur Reinigung des Gases.
„Genau umgekehrt ist es mit Klärschlamm. Hier muss aufwendig gereinigt werden, dafür wird für die ‚„Entsorgung‘ des Sekundärrohstoffs meist sogar noch bezahlt. Deshalb könnte Gas aus Klärschlamm sogar billiger als Erdgas sein,“ erläutert Alexander Bartik, der für ReGas4Industry die Versuchsdurchführung leitet.
Hohes CO2-Einsparpotenzial. Als maximales Potenzial an synthetischem Erdgas ermittelten die ForscherInnen etwa 10,5 PJ bei Rinde und rund 1,3 PJ bei Klärschlamm. Das entspricht 3,7 Prozent des österreichischen Erdgasverbrauchs. Doch bereits die Substitution von einem Prozent des Erdgases durch SNG bringt eine Einsparung von 121.600 Tonnen CO2-Äquivalent pro Jahr. Auch Gärreste aus Biogasanlagen sowie Reststoffe aus der Papier- und Zellstoffindustrie kommen zur Gaserzeugung in Frage. Sogar Kunststoffabfälle lassen sich in Gas umwandeln. Dieses ist dann zwar nicht CO2-neutral, doch der Kohlenstoff kann immerhin mehrfach genutzt werden, bevor er in die Atmosphäre entweicht.
Technisch funktioniert das so: Die Zweibettwirbelschicht-Anlage besteht aus einem Gaserzeugungs- und einem Verbrennungsreaktor. Im ersten Reaktor wird die Biomasse mit Hilfe von Wasserdampf oder auch CO2 als Vergasungsmittel in ein Produktgas übergeführt. Dieser Prozess benötigt Energie, die vom Verbrennungsreaktor beigesteuert wird. Als Brennstoff dienen dabei jene Teile der Biomasse, die nicht in Gas verwandelt werden können. „Die neue Generation der Zweibettwirbelschicht-Gaserzeugungsanlagen zeichnet sich durch eine hohe Brennstoffflexibilität aus – ein wichtiger Vorteil und ein Alleinstellungsmerkmal im Vergleich zu Festbettvergasern, wie sie bei Holzvergaserkraftwerken eingesetzt werden,“ erklärt Projektleiter Florian Benedikt. Gegenüber der direkten Erzeugung von Strom und Wärme aus biogenem Restmaterial hat die Gaserzeugung den Vorteil der Produktion von speicherbaren Energieträgern.
Weitere Informationen:
TU Wien – Institut für Verfahrenstechnik, Umwelttechnik und technische Biowissenschaften