Car2Flex – smartes Laden und Entladen von E-Autos
Während sich viele Menschen noch immer vor einer zu geringen Reichweite von Elektrofahrzeugen fürchten, ortet die Wissenschaft in den Fahrzeugbatterien enormes, bislang ungenutztes Potenzial. Dieses soll nutzbar gemacht werden – zum Vorteil der FahrzeugnutzerInnen und der Elektrizitätswirtschaft.
In einer Elektroauto-Batterie wird ein Vielfaches der Strommenge von handelsüblichen Stromspeichern für Haushalte gespeichert. Wer eine Photovoltaikanlage besitzt, kann damit den Eigenverbrauch des Sonnenstroms deutlich steigern. Und je größer die Anzahl von Elektrofahrzeugen wird, umso interessanter werden diese Batterien auch zur Stabilisierung der Stromnetze. Diesem Potenzial widmet sich das heuer gestartete vierjährige Forschungsprojekt Car2Flex, das im Rahmen des Green Energy Labs durchgeführt wird.
Breit angelegt. Neben der TU Wien beteiligen sich 18 weitere Projektpartner – Forschungseinrichtungen, Technologieunternehmen, Energieversorger sowie Netz- und Flottenbetreiber (siehe hier) – an Car2Flex. Technische Aspekte wie Schnittstellenprotokolle und eine App für die FahrzeugbesitzerInnen werden im Projekt ebenso entwickelt wie wirtschaftliche Modelle:
• Private E-AutobesitzerInnen sollen künftig nicht nur durch die Erhöhung des Eigenstromverbrauchs, sondern auch durch das Laden zu Uhrzeiten mit günstigen (Nacht-)Stromtarifen profitieren.
• Die BewohnerInnen von Mehrparteienwohnhäusern werden einerseits zum E-Carsharing motiviert, andererseits könnten die Garagenparkplätze günstiger werden, wenn die Fahrzeuge in Spitzenlastzeiten Strom liefern statt beziehen. Gleichzeitig wird Platz gespart, der anderweitig genutzt werden kann.
• Flottenbetreiber und E-Carsharing-Anbieter zahlen derzeit für ihre hohe Anschlussleistung ebenso hohe Netzgebühren. Diese könnten sinken, wenn ihre Batterien angezapft werden dürfen. Daraus ergeben sich auch Chancen für sogenannte Aggregatoren, die einzelne Flexibilitäten zusammenfassen (aggregieren) und weitervermarkten.
Intelligent anzapfen. Für all diese Nutzungsformen der Fahrzeugbatterien beziehungsweise das Nutzungsverhalten der FahrzeugeigentümerInnen entwickeln die WissenschaftlerInnen Prognosemodelle, die eine optimale Nutzung der mobilen Speicher ermöglichen. „Selbstverständlich kann dieser Automodus über die App oder direkt im Fahrzeug overruled werden, wenn beispielsweise am nächsten Tag eine besonders lange Fahrt ansteht oder das Fahrzeug mehrere Tage überhaupt nicht genutzt wird“, erklärt Projektleiter Georg Alexander Lettner vom Forschungsbereich Energiewirtschaft und Energieeffizienz der TU Wien.
Weiters kommen bei Car2Flex bidirektionale Gleichstrom-Ladepunkte zum Einsatz, die eine Direktnutzung von PV-Strom ohne Umwandlungsverluste in Wechselstrom ermöglichen.
Automobilindustrie gefordert. Die Sache hat freilich einen Haken: Die Software der allermeisten Elektroautos lässt ein Entladen der Batterie derzeit nicht zu. „Bislang ist dies nur bei Nissan-Modellen möglich“, so Lettner. „Ich gehe aber davon aus, dass innerhalb der nächsten zwei bis drei Jahre die meisten neuen Modelle be- und entladen werden können. VW beispielsweise hat das für 20223 angekündigt.“
Es liegt also letztlich in der Hand der Fahrzeughersteller, ob die zunehmende Zahl der Elektroautos künftig die Stromnetze belasten werden oder durch smartes Be- und Entladen einen gewichtigen Beitrag zur Senkung der teuren Lastspitzen leisten.
Weitere Informationen:
Car2Flex – green energy lab
Car2Flex – FFG