Lasst die Archaeen arbeiten!
April 19, 2022
Im Forschungsprojekt „Underground Sun Conversion“ (USC) wurde von 2017 bis 2021 unter der Leitung der RAG Austria AG erforscht, wie durch Befüllung einer ehemaligen Erdgaslagerstätte mit Kohlendioxid und Wasserstoff der Hauptbestandteil von Erdgas, Methan, erzeugt und gelagert werden kann. In Nachfolgeprojekten entwickelt man die neue Technologie nun weiter.
Sie haben keinen Zellkern, aber erstaunliche Fähigkeiten, die Archaeen. Sie sind seit Jahrmillionen maßgeblich an der Entstehung von Erdöl und Erdgas beteiligt. „Füttert“ man sie mit Kohlendioxid und Wasserstoff, stellen sie in Windeseile Methan her. Im Labor des IFA-Tulln der Universität für Bodenkultur Wien (BOKU) dauert dieser Prozess zwei bis drei Wochen, in der ehemaligen Erdgaslagerstätte im oberösterreichischen Pilsbach, dem Standort der Pilotanlage, etwas länger. Doch die Archaeen haben das Potenzial, einen gewichtigen Beitrag zur Energiewende zu leisten.
Nachhaltiges Konzept. In der Theorie kann im Sommer überschüssiger Wind- und Sonnenstrom mittels Elektrolyse in Wasserstoff umgewandelt und im Untergrund eingelagert werden. CO2 aus thermischen Kraftwerken, Industrie oder Vergärungsprozessen (um Beispiel in Biogasanlagen) wird zurückgewonnen und ebenfalls in das Bohrloch gepumpt. Im Winter, wenn das Angebot an erneuerbarer Energie am geringsten ist, wird das von den Archaeen erzeugte Methan gefördert, aufbereitet und ins Gasnetz eingespeist.
„Damit kann einerseits die diskontinuierliche Produktion von erneuerbarer Energie ausgeglichen und gleichzeitig ein Kohlenstoffkreislauf hergestellt werden“, erklärt Projektleiter Stephan Bauer, Leiter der Green Gas Technology bei der RAG. „Außerdem wird mit ehemaligen Erdgaslagerstätten und dem Gasnetz auf bestehende Infrastruktur zurückgegriffen. Global betrachtet gibt es ausreichend Lagerstätten, um damit eines Tages den gesamten Erdgasbedarf durch synthetisches Methan zu ersetzen.“
Hürden überwinden. Auch an CO2 besteht alles andere als ein Mangel. Doch es gibt auch limitierende Faktoren: Zum einen ist die Errichtung von Elektrolyseuren mangels Serienfertigung noch sehr teuer, zum anderen gibt es – nicht nur in Österreich – nur wenige Tage im Jahr, an denen mehr erneuerbarer Strom erzeugt als benötigt wird. Und bei hohen Strompreisen von 500 Euro pro Megawattstunde rentiert sich die Sache erst recht nicht. „Wir benötigen daher einerseits einen massiven Ausbau der Windkraft und Photovoltaik und andererseits ein komplett neues Design für den gesamten Energiemarkt“, sagt Bauer. „Nur so wird es möglich sein, auch den Gassektor auf erneuerbare Beine zu stellen.“
Am Nachfolgeprojekt „Underground Sun Conversion – Flexible Storage“ (USC FlexStore), unterstützt durch WIVA P&G und ERA-Net, arbeiten neben der BOKU nun auch Expert:innen aus der Schweiz mit: das Zürcher Energieunternehmen Energie 360°, die Eidgenössische Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (Empa), die Forschungsgruppe Gestein-Wasser-Interaktion am Institut für Geologie der Universität Bern sowie die Ostschweizer Fachhochschule (OST). Ermittelt werden soll die größtmögliche Flexibilität im Verhältnis zwischen CO2 und Wasserstoff bei der Einspeicherung, die gleichzeitig einen vernünftigen Ablauf des Umwandlungsprozesses ermöglicht. Denn während CO2 oft kontinuierlich anfällt, ist die Wasserstoffproduktion nur für Zeiten von Überschüssen im Stromnetz sinnvoll. Weiters werden allgemein Systemlösungen aus Speicher- und Umwandlungsdienstleistungen, die eine größtmögliche Flexibilität für das Energiesystem der Zukunft bieten, entwickelt.
Jetzt beginnen. „Unser Vorschlag lautet, jetzt mit skalierten Projekten zu starten“, zieht Bauer seine Schlüsse aus den bisherigen Forschungsergebnissen. „Vorbild könnten die deutschen Reallabore im Bereich von 20 bis 100 Megawatt sein.“ Das erfordert gewaltige Investitionen – doch immerhin arbeiten die Archaeen gratis, und die unterirdischen Lagerstätten sind die einzige Möglichkeit, im erforderlichen Ausmaß Energie aus dem Sommer in den Winter zu verlagern.
Weitere Informationen:
Underground Sun Conversion
Underground Sun Conversion – Flexible Storage