Industrielle Abwärmenutzung

September 21, 2022

15 Forschungseinrichtungen aus neun Ländern tauschten sich in der Phase 3 der IEA IETS Task 15* zu den Chancen und Risiken der industriellen Abwärmenutzung aus und zogen dazu rund 40 konkrete Forschungsprojekte heran.

Die Stärkung der internationalen Forschungszusammenarbeit und die Vernetzung von Wissen aus den jeweiligen nationalen Forschungsaktivitäten standen im Mittelpunkt der zweijährigen Arbeiten. Das Ziel ist die Optimierung und (Weiter-)Entwicklung von energie- und kosteneffizienten Technologien für die industrielle Anwendung unter Berücksichtigung der sehr unterschiedlichen Rahmenbedingungen in den Betrieben. Die Leitung hatte René Hofmann, damals auch Mitarbeiter am AIT Austrian Institute of Technology und nun Professor an der TU Wien, inne.

Heimische Projekte. Auch österreichische Projekte zur industriellen Abwärmenutzung flossen in die Betrachtungen ein. Die Brauerei Gösser in Leoben braut seit 2015 zu 100 Prozent nachhaltiges Bier. Das Konzept dazu wurde in Forschungsprojekten von AEE INTEC entwickelt. Neben der 2013 in Betrieb genommenen solarthermischen Großanlage und der Nutzung von am Betriebsgelände erzeugtem Biogas werden 40 Prozent des Wärmebedarfs aus der Abwärme eines benachbarten Holzverarbeitungsbetriebes gedeckt und gleichzeitig 90 Prozent der im Brauprozess anfallenden Abwärme wiederverwendet.

Der Papierkonzern Sappi liefert aus seinem Werk in Gratkorn seit Herbst 2017 Fernwärme nach Graz und deckt damit rund 15 Prozent des jährlichen Wärmebedarfs der Landeshauptstadt. Dadurch können jährlich etwa 20.000 Tonnen CO2 eingespart werden.

Noch in Entwicklung ist die Abwärmenutzung des Zementwerks Hatschek in Gmunden. Dieses weist ein Abwärmepotenzial von 10 MWth bei 400°C auf. Nun geht es darum, eine Hochtemperatur-Wärmerückgewinnung zu entwickeln, zu planen und zu realisieren. Mit der Abwärme sollen Industriekunden in gut 1,5 Kilometer Entfernung beliefert werden. In Österreich wurde noch nie öffentliches Gelände mit einer Wärmetransportleitung auf diesem Temperaturniveau durchquert. Das erfordert ein Höchstmaß an Zuverlässigkeit und Sicherheit.

Potenziale heben. Noch schlummert – nicht nur in Österreich – ein riesiges ungenutztes Potenzial an industrieller Abwärme. Um dieses zu heben, müssen mehrere Faktoren berücksichtigt werden. Zum einen mangelt es vielen Industriebetrieben an detaillierten Daten zu ihrem Wärmeüberschuss. „Hier könnten Pinch-Analysen, die Kombination verschiedener Methoden oder der im Rahmen eines von der FFG geförderten Projektes entwickelte SINFONIES-Ansatz weiterhelfen“, erklärt René Hofmann. Sehr wichtig ist angesichts der hohen Investitionssummen auch, die mit der Nutzung industrieller Abwärme verbundenen Risiken offen anzusprechen und diese zu minimieren. Hier hilft nur eine ganzheitliche systemische Betrachtung.“

Wenn ein Industriebetrieb Abwärme in ein Nah- oder Fernwärmenetz einspeist, geht er möglicherweise langfristige Verträge ein. Aber was, wenn der internationale Mutterkonzern beschließt, die (energieintensive) Produktion am Standtort zu verändern? Langfristig stehen vielen Branchen im Zuge der Dekarbonisierung Prozessveränderungen bevor, um mit weniger Wärme auszukommen oder diese effizienter zu nutzen. Weiters stehen neue Technologien wie Hochtemperatur-Wärmepumpen oder Wärmespeicher (zum Beispiel Festbettgeneratoren) zur Verfügung.

Individuelle Lösungen. Es gibt also wirtschaftliche, finanzielle und technische Risiken. Konzerne können sich zwar einiges aus Projekten wie jenen aus der IETS Task 15 abschauen, doch eine effiziente Abwärmenutzung bleibt immer Maßarbeit am jeweiligen Standort. „Es ist beispielsweise sehr wichtig, Wärmepumpen am richtigen Ort in der Produktionskette einzusetzen, um nicht vielleicht schon bestehende Wärmerückgewinnungsmaßnahmen zu beeinträchtigen“, so Hofmann. „Neben aller planerischen Sorgfalt ist nicht zuletzt die Kommunikation ein entscheidendes Element für das Gelingen von industriellen Abwärme-Projekten – betriebsintern, mit externen Partnerunternehmen, und bei Einspeisungen in öffentliche Wärmenetze ganz besonders auch mit den jeweiligen Gemeinden.“

* Industrial Energy-Related Technologies and Systems, eine Forschungskooperation der International Energy Agency. Task 15 widmet sich der industriellen Abwärmenutzung.

 

Weitere Informationen:

IEA IETS Task 15 auf nachhaltigwirtschaften.at
IEA IETS Task 15