Die Industrie elektrifizieren
September 21, 2022
Das ist das Thema von IEA IETS Task 19*. Unter der Leitung des Energieinstituts der Johannes Kepler Universität Linz (JKU) sichteten die Wissenschaftler:innen internationale Ansätze zur Umrüstung der Industrie auf erneuerbaren Strom. Im August 2022 wurde bei der OMV mit dem Bau der bislang größten Elektrolyseanlage in Österreich begonnen.
Wie kann sich die Industrie aus ihrer Abhängigkeit von konventionellen Brennstoffen befreien? Einen sehr großen Beitrag zur Dekarbonisierung könnte die Elektrifizierung mit Ökostrom leisten. „Die industrielle Elektrifizierung ist ein sehr breites Feld“, erklärt Projektleiter Simon Moser vom Energieinstitut an der JKU. „Auf internationaler Ebene gibt es zahlreiche Ansätze zur direkten und indirekten Elektrifizierung.“ Wo Temperaturen bis maximal 150°C benötigt werden, zum Beispiel in der Lebensmittelindustrie, kann Erdgas durch Hochtemperatur-Wärmepumpen ersetzt werden. Für höhere Temperaturen eignet sich grüner Wasserstoff als Ersatz für fossile Brennstoffe. In der chemischen und der Schwerindustrie wiederum ist die Elektrifizierung häufig mit umfassenden Prozessumstellungen verbunden.
Einen ersten Schritt in eine Wasserstoff-Zukunft setzt das 2018 gestartete Projekt UpHy (Upscaling von grünem Wasserstoff für Industrie und Mobilität). In der ersten Phase wurden Szenarien für den Auf- und Ausbau der Wasserstoffinfrastruktur für Industrie und Mobilität sowie der damit verbundenen Logistik entwickelt.
Genauer messen. Einen besonderen Meilenstein stellte die Entwicklung eines innovativen Messverfahrens für die Qualität des Wasserstoffs dar. Denn die Norm für die Reinheit des Wasserstoffs zum Einsatz in PEM-Brennstoffzellen (ISO 14687-2) ist so anspruchsvoll, dass sie bis vor kurzem nicht einmal in den besten Laboren der Welt gemessen werden konnte. Die im Projekt federführend von HyCentA und V&F Analyse- und Messtechnik GmbH entwickelte Messgeräte und -verfahren machen dies nun möglich und bescherten UpHy I den Staatspreis für Mobilität 2021.
In UpHy II wird nun bei der OMV Österreichs bislang größte Elektrolyseanlage errichtet. Sie soll 1.500 Tonnen grünen Wasserstoff pro Jahr produzieren. „Zwei Drittel davon werden direkt in der OMV eingesetzt, vor allem zur Produktion von fortschrittlichen Biokraftstoffen und zur Veredelung konventioneller Kraftstoffe“, erläutert Thomas Uitz von der OMV Downstream GmbH. „Ein Drittel soll den Weg zur Versorgung der Schwerlastmobilität finden. Dafür sind auch eigene Wasserstoff-Tankstellen geplant.“
Wasserstoffkette. „Für diese Pilotanlage wird ein eigenes Windkraftwerk seitens der WEB Windenergie AG in Velm-Götzendorf errichtet, wir werden aber auch Strom aus anderen erneuerbaren Quellen wie Wasserkraft und Photovoltaik beziehen“, so Uitz. Die Elektrolyse wird zwar nur einen Teil des Wasserstoffbedarfs des Energiekonzerns decken können, trotzdem ist sie ein großer Schritt. Denn im Rahmen von UpHy II wird erstmals eine komplette industrielle Wertschöpfungskette rund um grünen Wasserstoff aufgebaut und bis März 2025 wissenschaftlich begleitet: von der erneuerbaren Stromproduktion zur Elektrolyse, von dort zu Wasserstoff-Tankstellen und in die Tanks der Busse und LKWs.
Die Investitionen für den Bau der Anlage werden von OMV Aktiengesellschaft und Kommunalkredit Austria AG getragen. Das Projekt wird durch den Klima- und Energiefonds unterstützt und ist Teil der WIVA P&G – Wasserstoffinitiative Vorzeigeregion Austria Power & Gas.
Mehr Ökostrom. Die Elektrifizierung unterstützt natürlich nur dann die Dekarbonisierung, wenn erneuerbarer Strom genutzt wird. „Daher sollte Österreich alle Potenziale an erneuerbaren Energien ausschöpfen“, appelliert Moser. Dazu müsse auch die Infrastruktur massiv ausgebaut werden – Erzeugungs- und Stromspeicheranlagen, Stromleitungen und die Wasserstoffproduktion. „Neben der Elektrifizierung sollten natürlich auch alle anderen Technologien zur Dekarbonisierung der Industrie zum Einsatz kommen“, ergänzt Uitz.
„Wir sind sehr gespannt, wie das Projekt bei den Stakeholdern ankommen wird“, meint Mosers Kollegin Darja Markova. Schließlich stehen der Industrie im Zuge der Elektrifizierung und Dekarbonisierung hohe Investitionen ins Haus. „Makroökonomische Analysen zeigen jedoch auch zahlreiche positive Effekte eines Umstiegs auf erneuerbaren Strom, zum Beispiel positive Beschäftigungs- und Wertschöpfungseffekte und letztlich ein höheres Wirtschaftswachstum.“
* Industrial Energy-Related Technologies and Systems, eine Forschungskooperation der International Energy Agency. Task 19 widmet sich der Industriellen Elektrifizierung.
Weitere Informationen:
IEA IETS Task 19 auf nachhaltigwirtschaften.at
IEA IETS Task 19
Presseinfo OMV