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Save our Surface SOS Save our Surface SOS – Landnutzungsänderungen in Österreich durch verstärkte energetische Flächennutzung und globale Ressourcenverknappungen

Der Klimaschutz und die Verknappung bzw. Verteuerung fossiler Ressourcen erfordern eine weitreichende Umstellung der energetischen und stofflichen Basis. Nicht-erneuerbare Ressourcen müssen eingespart und durch erneuerbare Ressourcen, worunter Biomasse einen zentralen Stellenwert einnimmt, ersetzt werden. Aus dem gesteigerten Anspruch an die landwirtschaftliche Produktion resultieren Flächennutzungskonkurrenzen. Diese können sich durch Produktivitätseinbußen in der Landwirtschaft aufgrund des Klimawandels und der Verteuerung bzw. Verknappung fossiler Stoffe, die unter anderem für landwirtschaftliche Produktionsmittel verwendet werden (Treibstoffe, Pestizide, Düngemittel) verschärfen.

Eine sozio-ökonomische Anpassung ist notwendig, um die Konkurrenz um Flächen zur Produktion biogener Kraftstoffe zu minimieren. Die dafür nötige drastische Reduktion von Energieverbrauch und wirtschaftlichem Output erfordert einen sozio-ökonomischen Strukturumbau zu einer solidarischen Postwachstumsgesellschaft, den sektorale Maßnahmen unterstützen. Interventionen zur Minimierung von direkter und indirekter Flächenkonkurrenz angesichts Peak Oil, Klimawandel und verstärkter Biomassenachfrage sind auf drei Ebenen notwendig, die zusammenhängen: (1) Demokratische Krisenpläne zur unmittelbaren Abschwächung negativer Effekte von Peak Oil. (2) Sektorale Anpassungen und (3) der Strukturumbau der Ökonomie zu einer gemeingüterbasierten solidarischen Produktionsweise erlauben eine Wachstumsrücknahme.

Ausgangssituation

Die Ausgangssituation des Projekts bestand in der Frage, wie sich der zunehmende Ersatz nicht-erneuerbarer Energien und Stoffe auf die Landnutzungsmuster auswirkt. Diese Fragestellung war zum Zeitpunkt der Einreichung des Projekts kaum untersucht – und ist im internationalen Kontext gesehen nach wie vor wissenschaftliches Neuland. Dabei zeichnete sich die besondere Motivation des Projektes dadurch aus, die Erfordernisse des Klimaschutzes mit der möglicherweise abnehmenden Verfügbarkeit fossiler Stoffe zusammenzudenken. Denn während der Klimaschutz eine grundsätzlich freiwillige politische Entscheidung von Gesellschaften darstellt, begrenzt die Verfügbarkeit fossiler Stoffe den Gestaltungsspielraum mit naturgesetzlicher Objektivität. Die Herausforderungen, die sich aus einer möglichen Erschöpfung fossiler Ressourcen ergeben, sind daher andere als im Fall eines Programms zum Klimaschutz. Sie können nicht aufgeschoben werden und bei ausbleibenden Anpassungsleistungen sind anders geartete Folgewirkungen anzunehmen.

Es stellte sich die Frage nicht nur der Auswirkungen von Klimawandel und möglicher Verknappungen fossiler und mineralischer Stoffe auf die Produktivität der Landwirtschaft, sondern auch die Frage nach möglichen Grenzen des Verbrauchsniveaus. Daran schloss sich unmittelbar der Problemkomplex der ebenfalls seit 2008 zunehmend debattierten Grenzen des wirtschaftlichen Wachstums an, zusammen mit der Frage nach möglichen gesellschaftlich-systemischen Transformationspfaden aus dem Wachstumsdilemma, dass nämlich ein wachsender Ressourcenverbrauch ökologisch nicht verträglich, ein absolut, deutlich und langfristig sinkender Ressourcenverbrauch jedoch bislang bei steigender Wirtschaftsleistung nicht erreicht werden konnte und angesichts von Grenzen der Effizienzsteigerung und im Lichte des Reboundeffekts auch grundsätzlich fraglich ist.

Diese Art der Problemstellung hatte auch Folgen für den Fokus der politischen Handlungsempfehlungen, die das Projekt entwickeln sollte, um eine Entkoppelung des Produktionssystems von fossilen Ressourcen unter Minimierung von Landnutzungskonflikten zu ermöglichen. Vor dem Hintergrund der relativ geringen Erfolge internationaler Klimapolitik einerseits und der technisch orientierten Steigerung der Ressourceneffizienz andererseits – wenn man die absolute Reduktion an Treibhausgasemissionen als notwendige Messlatte heranzieht – galt es demnach vermehrt die Aufmerksamkeit auf nicht-staatliche Akteure und innovative, zivilgesellschaftliche Steuerungsmöglichkeiten zu lenken.

Projektverlauf

Das Projekt setzte sich aus naturwissenschaftlichen und technischen Forschungen einerseits und sozial- und politikwissenschaftlichen Untersuchungen andererseits zusammen, die sich in mehreren Arbeitspaketen folgenden Fragen widmeten:

 Arbeitspaket globale und regionale Rahmenbedingungen

  • Wie entwickeln sich die Förderraten für fossile Ressourcen und für die landwirtschaftlich wichtigen Stoffe Phosphor und Kalium?
  • Welche weltwirtschaftlichen Trends wirken als externe Zwänge auf Österreich? Wie entwickeln sich global der Energieverbrauch, Energiemix und Zugriff auf landwirtschaftliche Flächen?
  • Welche volkswirtschaftlichen Trends zeigt Österreich? Wie würde sich unter diesen Bedingungen eine Verknappung fossiler Ressourcen (am Beispiel des Erdöls) wahrscheinlich auswirken?
  • Welche Effekte hat die Landnahme für die Exportproduktion biogener Kraftstoffe in Ländern des globalen Südens?
  • Wie gestalten sich die Flüsse an Holzbiomasse von und nach Österreich?

Arbeitspaket Flächennutzungspotenziale und -szenarien

  • Wie wird der globale Klimawandel das regionale Klima in Österreich bis 2050 verändern?
  • Wie entwickeln sich die land- und forstwirtschaftlichen Produktionspotenziale unter diesen Bedingungen?
  • Welche Landnutzungsmuster ziehen die Bedarfs- und Produktionsszenarien (siehe nächstes Arbeitspaket) im Bereich der Landwirtschaft nach sich? Wo befinden sich konfliktträchtige Regionen?

Arbeitspaket Bedarfs- und Produktionsszenarien

  • Welches Niveau an Nahrungsmittelkonsum kann bis 2050 unter Voraussetzung des Klimawandels mit inländischen Flächen gedeckt werden?
  • Welches Niveau an Energiekonsum kann bis 2050 im Zuge der Energiewende inländisch gedeckt werden?
  • Welches Niveau an stofflichen Ressourcen kann bei Ersatz petrochemischer Produkte durch Biomasse inländisch produziert werden?
  • Welche Voraussetzungen haben Szenarien, die unterschiedliche Grade an Eigenversorgung vorsehen?

Arbeitspakete Strategieentwicklung und Handlungsempfehlungen

  • Wie korrespondieren die politischen Optionen der Stakeholder mit den Projektergebnissen, welche Differenzen oder Leerstellen ergeben sich?
  • Wie ist eine Entkoppelung des österreichischen Produktionssystems von fossilen Ressourcen bei gleichzeitiger Minimierung von Landnutzungskonflikten möglich?

Ergebnisse

Zielhierarchie der Handlungsempfehlungen angesichts von Peak Oil, wachsender Biomassenachfrage und steigender Nutzungskonflikte:

Übergeordnete Ziele

Konkrete Ziele angesichts Peak Oil und Flächenkonkurrenz

Maßnahmen/Interventionen

Menschenrechte verwirklichen durch soziale Gleichheit und Sicherheit

Gesellschaftliche Emanzipation durch enge Koppelung von Verantwortung und Gestaltungs-möglichkeit

Demokratische Krisenpläne

Abwehr negativer Effekte von Peak Oil

Weichenstellung für Strukturumbau

Langfristige Bevorratung essenzieller Güter (Nahrungsmittel, Medikamente etc.)

Aufbau lokaler, (teil)autarker Produktionsreserven (Nahrungsmittel, Transportkapazitäten, Gesundheitsversorgung etc.)

Planung demokratischer und menschenrechtlich erforderlicher garantierter Zuteilungsmechanismen essenzieller Güter im Krisenfall

Sektorale Anpassungen

Energieverbrauchsreduktion

Flächenverbrauchsreduktion

Definition von Tools und technischen Zielen zur Umsetzung im Rahmen demokratischer Krisenpläne und des Strukturumbaus der Ökonomie

Sozial verträgliche Gestaltung der Wachstumsrücknahme durch erhöhte gesellschaftliche Flexibilität und erhöhten sozialen Zusammenhalt

Ernährung und Landwirtschaft: Ca. 60%-ige Reduktion des Fleischkonsums, 100%-ige Versorgung der Landwirtschaft mit inländisch produzierten biogenen Kraftstoffen, Aufhebung allgemeiner biogener Kraftstoff-Beimischung, Ausrichtung der Agrar- und Nahrungsmittelpolitik Österreichs und der EU auf Ernährungssouveränität inkl. Stärkung kollektiver Subsistenz im Süden durch rückverteilende Landreform, Stopp der Landnahme für die Exportproduktion und endogenen Aufbau von Produktionsmitteln und Wissen; höhere Produzentenpreise (parallel höhere Reallöhne), Importgrenzen und Angebotsregulierung im Norden; Ausbau städtischer Landwirtschaft mit Fokus Gemeinschaftsgärten; geschlossene Phosphor-Kreisläufe; weniger Petrochemie

Verkehr: Rückverteilungsorientiertes steuerfinanziertes ÖPNV-System, Rad/Fußwegoffensive, deutliche Reduktion motorisierten Individualverkehrs

Raumordnung: Absoluter Schutz landwirtschaftlicher Flächen, Netto-Versiegelungsverbot, Planung kurzer Wege

Sicherheit und Gleichheit: Rückverteilung von materiellem und finanziellem Reichtum, gerechte Verteilung von Arbeit, deutliche Erwerbsarbeitszeitreduktion mit Lohnausgleich, bedingungsloses Grundeinkommen oder bedingungsloser Zugang zu den Gebrauchswerten der Daseinsgrundfunktionen

Weitere energie- und flächenverbrauchsrelevante Maßnahmen: Wärmedämmoffensive, sozial und ökologisch verträglicher Ausbau erneuerbarer Energie und von Bioraffinerien, deutliche Reduktion der Chemieproduktion, Anpassung in der Stahlindustrie

Strukturumbau der Ökonomie

Wachstumsrücknahme

Demokratisierung

Steady State

Demokratische Wirtschaftslenkung

Gemeingüterbasierte, solidarische Ökonomien inkl. Demonetarisierung

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Steckbrief

  • Projektnummer
    82228
  • Koordinator
  • Projektleitung
    Andreas Exner, andreas.exner@umweltbuero.at
  • Förderprogramm
    Neue Energien 2020
  • Dauer
    07.2009 - 09.2011
  • Budget
    328.969 €