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LignoBatt Lignin in Redox-Flow Batterien

In diesem Projekt wurde die Eignung von Kraft Ligninen als Startmaterial für das Design von Flow-Batterien untersucht. Hierzu wurden verschiedene Lignine untersucht und deren Anzahl an demethyliertem Bausteinen untersucht. Weiters wurden verschiedene chemische Methoden zur Oxidation der Lignine angewandt, wobei v.a. die Photochemie hier stark im Fokus stand. Die erhaltenen Produkte wurden chemisch charakterisiert und hinsichtlich ihrer elektrochemischem Aktivität überprüft. Parallel dazu wurden auch Modelllignine, i.e. kleine Bausteine denselben Prozeduren unterworfen. Mechanistische Überlegungen zur Stabilisierung der erhaltenen Chinone wurden durchgeführt.

Ausgangssituation

Die vermutlich größte Herausforderung unserer Zeit ist es, den Klimawandel und seine Folgen soweit wie möglich zu verhindern und dessen Folgen abzumildern. Ein wesentlicher Bestandteil dieser Strategie ist die Vermeidung von exogenen CO2 Emissionen, die durch die Verbrennung fossiler Brennstoffe wie Öl und Gas entstehen. Die Umstellung von fossiler Energie als Primärenergieträger auf regenerative Energien ist daher dringend notwendig, um diese Ziele zu erreichen. Allerdings hat der immer größer werdende Anteil an erneuerbarer Energie an der Stromproduktion auch wesentliche Nachteile. Es kommt vermehrt zu starken Fluktuationen im Stromnetz, da die Produktion von Wind und Solarenergie wetterabhängig ist, saisonalen Schwankungen unterliegt und (v.a. bei Wind) dort produziert wird, wo es keinerlei Abnehmer gibt, wodurch das Netz größeren Belastungen ausgesetzt ist. Dies stellt mittelfristig ein Risiko für die Versorgungssicherheit auf nationaler und europäischer Ebene dar. Um die Versorgungssicherheit sicherzustellen und fossile und nuklear betriebene Kraftwerke zu substituieren, sind daher große Energiespeicher mit kurzen Response times nötig. Idealerweise sind solche Technologien nicht von kritischen Rohstoffen (z.B. Lithium, Kobalt) abhängig und beruhen auf Ressourcen, die innerhalb Österreichs bzw. der EU ausreichend vorhanden sind. Ein Musterbeispiel für eine solche Technologie ist die Wasserkraft, die große Mengen an Energie (GW) in einem Pumpspeicher lagern kann, allerdings den Nachteil hat, dass ein weiterer Ausbau in großem Maßstab in Europa fast nicht mehr möglich ist. Eine weitere Technologie mit hohem Wirkungsgrad und Speicherkapazität (Anlage in McIntosh, Alabama hat 110 MW) beruht auf der Lagerung von komprimierter Luft in geologisch stabilen Schichten, aber auch hier gibt es nicht genügend Orte die dafür geeignet sind. Weiters ist unklar, ob sich durch den Eintrag von stark komprimierter Luft, die Gefahr von Erdbeben und Verwerfungen erhöht. Technologien wie Schwungräder (auch Flywheels genannt) können ebenfalls große Mengen an Energie speichern (z.B Stephentown, New York, 12 MW), sind aber nicht beliebig nach oben skalierbar. Wasserstoff ist ebenfalls eine vielversprechende Technologie, wobei auch hier die Speicherung sowie die effiziente Herstellung aus regenerativen Energien noch zu lösende Probleme für die Pufferspeicherung darstellen. Batterien eignen sich ebenfalls um Energie zu speichern, allerdings haben nunmehr klassische Lithium-Ionenbatterien den Nachteil, dass sie auf kritische Rohstoffe angewiesen sind (Lithium, Cobalt) sowie dass deren Entladezeit (i.e. Response Time) für großskalige Pufferspeicher relativ langsam sind, da hier Energiespeicherung im Bulk des Aktivmaterials erfolgt und Energietransport daher diffusionslimitiert ist. Weiters sind auch sicherheitsrelevante Aspekte zu klären, insbesondere was den thermal-runaway betrifft, der bei großen Anlagen auf jeden Fall aufgrund der immanenten Brandgefahr vermieden werden muss.
Ein anderes Konzept beruht auf Redox-Flow-Batterien (RFB). RFB sind bereits seit mehr als 130 Jahren bekannt, und sie sind in den letzten Jahren vor allem durch die Entwicklung von regenerativen Energiesystemen (Solar, Wind) wieder in den Fokus des Interesses gerückt. RFB bestehen im Wesentlichen aus zwei elektrolytführenden Tanks, einem Pumpsystem, das die Elektrolyten durch eine Zelle pumpt, in der die beiden Elektrolyte über eine Membran getrennt sind und zwei Elektroden (z.B. Kohlenstoffelektroden) die den Strom abnehmen.

Redox-Flow Batterien haben die Eigenschaft, dass sie beliebig skalierbar sind, und dass die Speicherkapazität nur über die Größe der Tanks limitiert ist. Diffusionslimits spielen im Gegensatz zu z.B. Li-Ionen-Batterien bei RFBs eine untergeordnete Rolle und daher können diese mit extrem hoher Leistung betrieben werden. Die zurzeit größte chemische Batterie ist eine RFB und wird gerade in Dalian, China installiert. Diese Batterie ist auf eine Speicherkapazität von 800 MWh bei einer Leistung von 200 MW konzipiert.
Die elektrochemisch aktive Komponente (Elektrolyt) ist das Kernelement einer RFB und macht zurzeit ca. 30-50% des Preises einer Einheit aus. Es gibt eine Unzahl an bekannten Elektrolytsystemen, wobei der Markt von Zink-Brom sowie vanadiumbasierten Elektrolyten (VO2+/VO2+, gelöst in starker Säure) dominiert wird (ca. 95%). Andere Systeme (z.B. Wasserstoff-Chlor, all-Blei, all-Kupfer, oder all-Eisen) wurden zwar kommerziell weiterverfolgt aber deren Entwicklung wurde entweder aus ökonomischen oder sicherheitsrelevanten Aspekten wieder gestoppt.
Ein relativ neues Gebiet ist die Untersuchung von organischen Molekülen für RFB Anwendungen. Hierbei wurde in den letzten Jahren eine Reihe von Materialien erforscht wobei bis auf wenige Ausnahmen (z.B. TEMPOL bzw. Elektrolyte auf Polyanilinbasis Jena Batteries GmbH) fast nur Chinone in der Literatur berichtet wurden. Die CMBLU-Projekt GmbH versucht Lignosulfonatbasierte Materialien in RFBs kommerziell durch Umwandlung in sulfonierte Chinone zu verwerten, uns ist jedoch nicht bekannt, ob hier schon Anlagen in größerem Maßstab installiert worden sind.
Im Prinzip können Chinon/Hydrochinon Paare sowohl als anolytisches als auch als katolytisches Material Verwendung finden. Durch Variation von Substituenten und der Substitutionsposition ergibt sich zumindest theoretisch eine schier unglaubliche Menge an Kombinationsmöglichkeiten um Redox-Flow System zu designen.
Interessanterweise weisen solche Verbindungen unterschiedliches Redoxverhalten auf, je nachdem ob sie in aprotischer organischer Umgebung (zwei sukzessive ein-Elektron Reduktionen) oder in wässrigen Systemen (schnelle 2 Elektronen Reduktion, Geschwindigkeit pH abhängig) verwendet werden.
Ein nennenswertes Beispiel ist ein System auf Basis von sulfonierten Hydrochinonen (Anolyt) in Verbindung mit Br-/Br2 (Katolyt), das sehr hohe Leistungsdichte (0.6 W/cm2 bei 1.3 A/cm2, galvanisch bestimmt) aufweist. Die Kinetik der Reduktionsreaktion ist eine der schnellsten, die für Spezies im Bereich der RFBs berichtet wurden (k=7.2*10-3 cm/s). Auch die Zyklenstabilität kann als gut angesehen werden, die Retentionskapazität wurde mit 99% pro Zyklus angegeben. Ein anderes gut funktionierendes Beispiel verwendet ein monosulfoniertes Anthrachinon als Anolyt (E0=+0.09 V) und 1,2 Benzochinon 3,5-disulfonsäure als Katolyt (E0=+0.85 V). 0.2 M Lösungen der aktiven Spezies in 1 M H2SO4 bei 200 mA und 0.5 Liter Flussrate zeigten keinerlei elektrochemische Zersetzung der organischen Elektrolyte sowie eine hohe Retentionskapazität von über 90% über 24 Zyklen.

Projektverlauf

Das Projekt war multidisziplinär aufgebaut. So wurde anfangs v.a. die Ligninanalytik vorangetrieben, wobei aus anderen Projekten (z.B. COMET-FLIPPR) hier schon beachtliches Know-How vorhanden war. Besonders wichtig war 31P-NMR Spektroskopie, die es erlaubte nach Phosphorylierung der Lignine, den Anteil an demethyliertem Lignin zu bestimmen (i.e. wie viele Chinonartige Verbindungen theoretisch vorhanden sind). Der Vorteil dieser Methode gegenüber z.B. 1H und 13C NMR Spektroskopie ist, dass die Signale durch den größeren Chemical Shift Bereich besser aufgetrennt werden und dadurch besser analysierbar sind. Ein weiterer Aspekt war die Erhöhung des Anteils an demethyliertem Lignin. Hierzu wurde Photochemie eingesetzt, i.e. durch Bestrahlung wurde in Anwesenheit von Photokatalysatoren wurden Chinonartige Strukturen erhalten. Neben der Photochemie wurde auch die Dakin-Oxidation untersucht, eine schon lang bekannte Reaktion, die aromatische Strukturen in Chinone umwandelt. Die Analyse sowohl der Photoprodukte als auch denen aus der Dakin-Oxidation wurde zusätzlich auch noch mit GC-MS durchgeführt. Hier wurde als Probenvorbereitung eine Methode gewählt, die durch Silylierung die Chinone leichter verdampfbar macht und damit leichter identifizierbar macht. Ähnliche Analysen wurden auch für die umgesetzten Modellignine durchgeführt, wobei hier die Komplexität massiv reduziert wurde. So wurden beispielsweise beim der Wahl eines Modelllignins wie Vanillin nach der Oxidation nur wenigen Produkte identifiziert, während diese Zahlen bei den Ligninproben im Extremfall in die Hunderte ging. Die erhaltenen Produkte wurden dann weiters elektrochemisch charakterisiert. Dies geschah in verdünnten Lösungen mittels Cyclovoltammetrie, die zeigt ob sich ein Material reversibel oxidieren und reduzieren lässt. Weiters wurden auch verschiedene Vorschubraten verwendet, die zeigen ob sich bei einer Erhöhung der Oxidations- und Reduktionsgeschwindigkeit einerseits die Lage der Peaks verschieben, bzw. inwieweit sich die Redoxkapazität vermindert. Nach dieser Analyse wurden dann die vielversprechendsten Systeme in RFB Vollzellen mit verschiedenen Größen getestet (auch über mehrere 100 Zyklen). Die Stabilität der ligninbasierten Elektrolyte sowie Zersetzungsreaktionen wurden mittels ESR-Spektroskopie untersucht, da diese die entstehenden Radikale effizient identifizieren kann.
Neben den wissenschaftlichen Arbeiten wurde auch aktiv der Kontakt mit Stakeholdern gesucht, entweder über direkten Kontakt oder über Netzwerke (z.B. Greentech-Cluster) oder via Workshops, Konferenzen und Partnering Days.

 

Meilensteine

  1. Das Hauptziel des Projektes war der Zusammenbau einer RFB mit ligninbasierten Aktivmaterialien und deren Betrieb im Flow. Dieses Ziel wurde mit Jänner 2019 erreicht.
  2. Diese Batterie wurde weiters optimiert, und mit Elektrolyten, die beide aus verschiedenen Ligninen gewonnen werden können, wurde eine voll ligninbasierte Batterie fabriziert.
  3. Die als Projektziel definierte Zyklenstabilität (50) der RFB wurde deutlich überschritten, so konnten bei dieser ligninbasierten Batterie nach 250 Zyklen (entspricht einer Betriebsdauer von ca. 8 Monaten, Abb. 4) mehr als 85% der ursprünglichen Kapazität erhalten werden.

"Nachhaltige Energiespeicherung ist ein wichtiger Baustein für die Energiewende. Reststoffe aus der Papierindustrie wie Lignin können wie in diesem Projekt gezeigt wurde dazu beitragen, Energiespeicherung nachhaltiger zu gestalten bei gleichzeitiger regionaler Wertschöpfung."

– Stefan Spirk –

Ergebnisse

Das Hauptergebnis des Projekts war eine Flow Batterie, die nur mit ligninbasierten Materialien betrieben wurde und die über 250 Zyklen getestet wurde (entspricht 8 Monaten Laufzeit).

Steckbrief