Effiziente Bioraffinerien

September 21, 2022

Heutzutage kann man fast alles aus Biomasse herstellen, wozu man bislang Erdöl verwendete. In der IEA IETS Task 11 arbeiten Wissenschaftler:innen aus sechs Ländern daran, der Industrie Entscheidungswerkzeuge für diesen Weg zu liefern. Und sie arbeiten an Strategien, wie Bioraffinerien noch effizienter arbeiten können.

Bei Bioraffinerien denkt man gemeinhin an die Produktion von „Biotreibstoffen“. Doch es gibt ein breites Spektrum an Wertstoffen, die sich aus Biomasse – aus Reststoffen der Landwirtschaft und der Nahrungsmittelindustrie, aus Grünschnitt oder auch aus Algen – gewinnen lassen: Zellulose, Lignin, Öle, Eiweise und vieles andere, das beispielsweise die chemische Industrie und die Pharmaindustrie benötigen.

Wertstoffe und Energie. Bei der Effizienz von Bioraffinerien kann man an zwei Schrauben drehen, bei den hergestellten Wertstoffen und beim Thema Energie. „Bioraffinerien können mehr Energie verbrauchen als sie produzieren, aber auch mehr Energie erzeugen als sie benötigen“, erklärt Bettina Muster-Slawitsch vom AEE – Institut für Nachhaltige Technologien. Sie koordiniert den österreichischen Beitrag zur Task 11, an der auch Forscher:innen aus Kanada (Leitung), Schweden, Finnland, Portugal und den Niederlanden teilnehmen.

Aktuell interessieren sich die Wissenschaftler:innen auch für Treber, also Rückstände aus der Bierproduktion. Daraus lassen sich beispielsweise Proteine extrahieren – ohne vorherige Verflüssigung und somit energieeffizienter. Auch die Aufwertung des Gärrestes aus Treber-Biogasanlagen ist möglich, und zwar durch die Herstellung eines Substrats zum Humusaufbau oder als Torfersatz. Insgesamt forscht das AEE – Institut für Nachhaltige Technologien an Konzepten für Bioraffinerien, die eine ausgeglichene oder sogar negative CO2-Bilanz aufweisen.

Kläranlage als Bioraffinerie. Auch Kläranlagen können zu Bioraffinerien werden. Das zeigt das AEE-Projekt „Energie- und Ressourcendrehscheibe Kläranlage Gleisdorf“ im Rahmen des Großforschungsverbundes Thermaflex. Hier funktioniert die Effizienzsteigerung auf drei Ebenen. Zunächst wurde die Kläranlage über eine 1.000 Meter lange Leitung mit dem Fernwärmenetz der Stadt verknüpft. „Dadurch kann dem gereinigten Abwasser nun mit einer Wärmepumpe Energie entzogen und in das Fernwärmenetz eingespeist beziehungsweise in einem Wärmespeicher zwischengelagert werden“, erläutert Projektleiter Joachim Kelz. „Auch das Biogas, das teilweise in der warmen Jahreszeit abgefackelt wurde, wird nun vollständig für die Fernwärme verwendet. Umgekehrt deckt die Kläranlage ihren Wärmebedarf nun ausschließlich über die Fernwärme.“

Die Wärmepumpe wiederum bezieht ihren Strombedarf aus einem nahgelegenen Kleinwasserkraftwerk sowie einer eigenen, neu errichteten Photovoltaikanlage mit 30 kWp. Im dritten Schritt wurde ein Jahr lang eine Pilotanlage zur Ammoniumrückgewinnung (Stickstoff) getestet. Mit der sogenannten Membrandestillation wurden dem Zentratwasser – dem Abwasser aus dem Faulturm – bei einem Temperaturniveau von nur 30 bis 40°C mehr als 90 Prozent des enthaltenen Ammonium-Stickstoffs entzogen.

Effizienter Prozess. „Dadurch wird einerseits ein wichtiges Ausgangsprodukt für die Düngemittelherstellung gewonnen, anderseits die sehr energieintensive Ammoniumentfernung im weiteren Klärprozess vermieden, bei der der Stickstoff großteils an die Luft abgegeben wird“, beschreibt Muster-Slawitsch die Vorteile. Gleichzeitig erspart die Rückgewinnung die ebenfalls sehr energieintensive Ammoniakproduktion mit dem Haber-Bosch-Verfahren, das für ein bis zwei Prozent des weltweiten Energieverbrauchs verantwortlich ist.

„Da die Fernwärme auch über drei thermische Solaranlagen verfügt, kann sie nun dank Wärmepumpe und Biogas von Mitte Mai bis Mitte September so gut wie ohne Biomasse- und fossilen Gaseinsatz betrieben werden“, fasst Kelz zusammen. „Aufgrund des hohen Bevölkerungswachstums wird die Kläranlage in den nächsten Jahren modernisiert und erweitert werden müssen. Das wäre eine gute Gelegenheit, erstmals in Europa die Membrandestillation in industriellem Maßstab einzusetzen.“ Auch das Fernwärmenetz wurde in den vergangenen vier Jahren um 36 Prozent ausgebaut – bis 2028 ist eine Verdoppelung geplant.

 

Weitere Informationen:

IEA IETS Task 11 auf nachhaltigwirtschaften.at
IEA IETS Task 11
Pilotstudie Ammoniumrückgewinnung
ThermaFLEX Forschungsprojekt