„Die TeilnehmerInnen müssen sich um gar nichts kümmern“

Juli 15, 2021

Können Energiegemeinschaften so einfach werden wie der Strombezug aus der Steckdose? Ja, meint Martin Graf, Vorstandsdirektor der Energie Steiermark. Wie das technisch funktionieren kann, erforscht die Energienetze Steiermark GmbH seit November 2018 gemeinsam mit dem AIT Austrian Institute of Technology, der Siemens AG Österreich und der Energie Burgenland im Forschungsprojekt Blockchain Grid.

Den Strom dort zu verbrauchen, wo er erzeugt wird, bringt – sobald das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz (EAG) beschlossen ist – sowohl Haushalten mit Photovoltaik auf dem Dach als auch Netzbetreibern Vorteile. Der höhere Eigenverbrauch reduziert die Stromrechnung – und die Stromnetze müssen angesichts zunehmender dezentraler Stromproduktion und neuer Verbraucher wie der E-Mobilität nicht so rasch ausgebaut werden wie befürchtet.

 

Testbetrieb. In Heimschuh in der Südsteiermark probieren zwölf Haushalte mit eigener PV-Anlage – das aus, was das EAG demnächst in ganz Österreich ermöglichen soll: Energiegemeinschaften mit Peer-to-Peer-Handel. Die Energienetze Steiermark betreibt einen Stromspeicher mit 100 kWh Speicherkapazität, der von den am Projekt beteiligten Haushalten gespeist und angezapft wird. Auch zwei Elektroautos wurden den TeilnehmerInnen zur Verfügung gestellt. Damit und mit der neu entwickelten Technologie im Hintergrund gelang es, den Eigenversorgungsgrad der zwölf Haushalte auf 73 Prozent zu steigern – das würde ein jährliches Einsparungspotenzial von 550 Euro pro Haushalt bedeuten.

„Zum Einsatz kommt dabei eine Kombination aus konventioneller Datenbank und innovativer Blockchaintechnologie“, erklärt Martin Graf. „Die TeilnehmerInnen haben eine Vereinbarung unterzeichnet und müssen sich sonst um gar nichts kümmern.“ Im Prinzip sei die Technologie für Energiegemeinschaften startklar. „Doch nun müssen erst das EAG in Kraft treten, entsprechende Gesetze der Bundesländer beschlossen und von der E-Control Marktregeln festgelegt werden“, so Graf. „Die Technologie wird dann an diese Spielregeln angepasst und könnte – sofern es zu keinen weiteren Verzögerungen kommt – ab dem ersten Quartal 2022 einsatzbereit sein.“

 

Individuelle Lösungen. Allerdings werde es für Energiegemeinschaften keine Standardlösungen geben, meint Graf, da deren Zusammensetzung sehr unterschiedlich ausfallen kann. Sind beispielsweise Schulen mit großer PV-Anlage und minimalem Verbrauch während der Ferien oder Freibäder mit saisonal hohem Stromverbrauch für Wasserpumpen Teil einer Energiegemeinschaft, müssen andere Lösungen gefunden werden als für eine Gemeinschaft, die lediglich aus Haushalten besteht.

„Blockchain Grid zeigte, dass bei der Bevölkerung hohe Akzeptanz und großes Interesse an Energiegemeinschaften besteht und dass die Energiewende unter Beteiligung der Haushalte gelingen kann“, fasst Graf zusammen. Die Testgemeinschaft in Heimschuh soll auch nach Projektende weiter bestehen und in eine reguläre Energiegemeinschaft übergeführt werden.

 

Speicher von Netzbetreiber? Spannend bleibt folgende Frage: Werden Stromspeicher künftig – wie im Projekt – von  Netzbetreibern zur Verfügung gestellt, oder müssen Energiegemeinschaften diese Investitionen selbst tätigen? „Das wird davon abhängen, ob die Speicher als ‚netzdienliche Anlagen‘ eingestuft werden“, sagt Graf. Zugute kämen sie jedenfalls allen Beteiligten.

 

Weitere Informationen:

Blockchain Grid